Andrej Kurkow

Andrej Kurkow - APA/AFP/SERGEI SUPINSKY

Krimi

"Samson und Nadjeschda" von Andrej Kurkow

Andrej Kurkow ist Präsident des Schriftstellerverbandes PEN Ukraine und einer der international bekanntesten Autoren des Landes. In seinem Roman "Graue Bienen" hat er sich bereits 2018 mit dem Krieg im Donbas auseinandergesetzt, jetzt erscheint der erste Band seiner neuen historischen Krimi-Reihe in deutscher Übersetzung, der Schauplatz ist Kiew im Jahr 1919.

Mai 1919, Kiew versinkt im Chaos. Der russische Bürgerkrieg ist auf die Stadt übergeschwappt, die Bolschewiken versuchen, ihre Herrschaft und Ideologie zu etablieren, aber immer wieder durchstreifen marodierende Kosaken die Straßen und verbreiten Terror. Auf einem Spaziergang wird Samsons Vater von ihnen erschlagen, Samson selbst, der Held von Andrej Kurkows neuem Roman, verliert bei dem Angriff ein Ohr.

Authentische Geheimdienstakten

Begonnen mit der Arbeit an seiner historischen Krimi-Reihe hat Kurkow vor vier Jahren, als ihm eine Leserin ein ungewöhnliches Geschenk machte. "Sie hat mir das Archiv ihres Vaters geschenkt, der sein ganzes Leben für den Geheimdienst gearbeitet hat, zuerst für den KGB, und später für den ukrainischen Geheimdienst SBU" erzählt Kurkow. "Und in dem Konvolut fand ich ganz viele Originaldossiers aus dem Jahr 1919."

Samson wird von den Bolschewiken rekrutiert. Er soll Diebstähle untersuchen, bald jedoch spitzen sich die Ereignisse zu und es kommt zu mehreren Morden. Bei der Aufklärung helfen ihm die junge Nadjeschda, die für die Ideale der Revolution glüht und sein abgetrenntes Ohr. Das lässt Kurkow, der seine realistischen Romane gerne mit fantastischen Elementen spickt, nämlich weiterhören.

Buchcover

DIOGENES VERLAG

Gegen Kulturkrieg

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar hat Kurkow die Arbeit an seiner Krimi-Reihe vorerst ausgesetzt. Jetzt schreibt er für westliche Medien Essays über den Konflikt, außerdem hat er als Präsident des PEN Ukraine zu vermitteln.

"99 Prozent der ukrainischen Schriftsteller sind für einen Boykott von russischer Literatur und Kultur. Meiner Meinung nach müssen wir aber Schriftsteller wie Sorokin, Schischkin und Jerofejew, die Putin offen kritisieren und in diesem Krieg auf der Seite der Ukraine stehen, unterstützen."

Geldsoldaten

Andrej Kurkow wurde 1961 im damaligen Leningrad geboren, lebt aber seit frühester Kindheit in Kiew. Er schreibt auf Russisch, sieht sich aber als ukrainischen Schriftsteller. Derzeit ist er in Europa unterwegs, um in Vorträgen über die Situation in der Ukraine zu berichten. Wenn der Krieg nicht bis zum Winter zu einem Ende findet, wird er noch sehr lange dauern, sagt er, auch weil sich zwei sehr ungleiche Heere gegenüberstehen.

"Die russische Armee wird immer Vertragssoldaten finden", so Kurkow weiter, "weil in den armen Regionen des Landes viele Männer arbeitslos sind. Sie lassen sich aber nur rekrutieren, um Geld zu verdienen. Anders in der ukrainischen Armee, in der die Soldaten motiviert sind, weil sie das Land und seine Unabhängigkeit verteidigen."

Halber Krimi, ganze Spannung

"Samson und Nadjeschda" ist, wenn man so will, ein halber Krimi, denn Andrej Kurkow widmet den chaotischen historischen Ereignissen mindestens genauso viel Raum wie dem Krimiplot. Aber wo die Spannung herkommt, ist ja letztendlich egal.

Service

Andrej Kurkow, "Samson und Nadjeschda", Roman, aus dem Russischen von Johanna Marx und Sabine Grebing, mit Illustrationen von Jurij Nikitin, Diogenes

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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