Hannahlisa Kunyik

CAROLINA FRANK

Ö1 Talentebörse

Hannahlisa Kunyik, bildende Kunst - Gewinnerin des Talentestipedium für bildende Kunst 2014

Hannahlisa Kunyik ist bildende Künstlerin und Filmemacherin. Sie lebt und arbeitet in Wien. 2014 erhielt sie das Ö1 Talentestipendium.

Ö1 Talentebörse | 17 08 2022

Was ist Kunst?

Nachdem Kunst ja in allen Formen und Unformen in Erscheinung treten kann – auch im Unterlassen derselben – ist für mich die Grenzziehung von Kunst eher irrelevant. Dennoch würde ich sagen, Kunst ist so etwas wie angewandtes Denken. Und pervertierte Wissenschaft. Weil ihr Erkenntnisgewinn diffus, nicht konkret ist.

Für viel interessanter finde ich die Fragen, unter welchen Bedingungen entsteht welche Kunst und wie wird sie rezipiert. Mit wem, für wen und wo findet sie statt. Was kann sie, was kann sie nicht.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Als ich mich an der Akademie bewarb, schloss ich gerade mein Soziologiestudium ab. Darin hatte ich mich auf die Themen Körper und Leib fokussiert. Den Leib als Speicher von Geschichte und den Körper als Re-Produzenten von Strukturen. Nebenbei performte ich Drag Shows.

Ich hatte einen Masterplan. Demnach gilt es, auf dreierlei Wegen – mittels Theorie/Wissenschaft, mittels Alltags- und subkultureller Strategien und in der Position einer institutionell legitimierten Künstlerin in der symbolischen Ordnung mitzumischen. Ich nannte das „symbolische Revolte“ und verfasste dazu das PRINZIP POSTPOTENZ.

Ich bin als Kind und Jugendliche aber auch durch eine klassische musikalische Ausbildung gegangen. Und sosehr ich den erlebten Produktionszusammenhang klassischer Musik auch ablehne, sind Musik und eine musikalische Herangehensweise doch immer Teil meiner Arbeit. Sei es beim Schneiden eines Films oder bei der Hängung meiner Poesiefetzen aka Typo-Drawings.

Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?

Kunst kommt vom Denken und Machen. Vom Unterlassen und vor allem von viel Zeit.

Wo würden Sie am liebsten ausstellen?

In ganz unterschiedlichen, gut geführten Räumen und kuratierten Settings. Ganz klassisch vorne weg in New York, Berlin, Johannesburg, Tokio, Rio de Janeiro, Mexico City... Wobei sich die Liste mit Orten deckt, an denen ich mich schlicht gerne für längere Zeit aufhalten würde. Bemerkenswerter Weise ist allerdings das Publikum der Peripherien meist aufmerksamer, als an kulturell gesättigten Orten. Das interessiert mich.

Und mein Wünschen richtet sich durchaus darauf, meine Arbeit auch außerhalb dezidierter Kunsträumen zu zeigen, in Zeitungen/Zeitschriften, im Kino, im Radio, auf Bühnen oder an Fassaden wie auch anderen Orten der Öffentlichkeit. Der Ringturm am Wiener Schottenring etwa hat es mir schon lange angetan: Die Arbeit "Susanne fotografiert mich beim Bade" würde ich dort enorm gerne sehen.

In Form von Büchern, Heften und anderen Publikationsformaten wiederum schleicht sich meine Arbeit in die Wohnzimmer, Regale und somit in die alltägliche Lebensrealität von Menschen. Sie ist Ihnen in Ihren Händen, zwischen Ihren Fingern ganz nahe. Auch das interessiert mich.

Mit wem würden Sie gerne zusammen arbeiten?

Ich bin eigentlich sehr glücklich mit den Menschen mit denen ich zusammenarbeite.

Wie viel Markt verträgt die Kunst?

Andrea Fraser hat 2011 in "Texte zur Kunst" den Artikel "L’1%, C’EST MOI" veröffentlich. In dem beschreibt sie, wie in Ländern wirtschaftlicher Neoliberalisierung – sprich Privatisierung, Senkung von Steuern etc. – seit den 1980ern zwei Faktoren korrelativ stiegen: soziale Ungleichheit und Kunstpreise. Neben den Kunstpreisen expandierten auch marktunabhängige Institutionen des Kunstfeldes seither stark: kunstrelevante Publikationen und Studiengänge, Biennalen, Residencys, Awards etc. Die Verquickung von Kunst und Markt war demnach insbesondere für Sammlerinnen und Kunstinvestorinnen eine äußerst lukrative Angelegenheit. Was Neoliberalisierung aber für negative Auswirkungen auf den Großteil betroffener Bevölkerungen hat, sollten wir spätestens seit der letzten sogenannten Krise 2018 verstanden haben. Haben wir angesichts der politischen Entwicklung der jüngeren Vergangenheit aber noch nicht. Um es mit Frasers Worten zu sagen: „what has been good for the art world has been disastrous for the rest of the world“.

Und wie viel Kunst verträgt der Markt?

Das hängt wohl von der Organisation des Marktes ab.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?

Am Ende des Monats oder am Ende meines Lebens?

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Wahrscheinlich immer noch im Spiegel und beim Skypen (Zoomen, etc.). Und in Bewegtbildarbeiten und diversen Publikationen. Vielleicht gibt es dann aber auch ganz andere Technologien der visuellen Selbstwahrnehmung, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.

Haben Sie einen Plan B?

Nein. Auf meinem Nachttisch liegt allerdings der Mumok-Katalog "Kurze Karrieren". Die Ausstellung beschäftigte sich mit durchwegs bekannten Künstlerinnen, die sich –vorwiegend aus politischen, aber auch aus persönlichen Gründen – aus der Aufmerksamkeitsökonomie des Kunstfeldes zurückzogen. Das lese ich zum Einschlafen! (Lacht.)

Wir wissen um den enormen „Brain-Drain“ in der Kunst. Nur ein minimaler Prozentsatz der Kunsthochschulabgängerinnen kann nachhaltig von ihrer Kunst leben. Viele arbeiten nach ihrer Ausbildung in Call Shops oder machen Hochzeitsfotografie, um ihre Kunst zu finanzieren. Oder sie gehen irgendwann erschöpft in die lukrativere Kreativwirtschaft oder machen ganz was anderes. Das ist pure Verschwendung. Leute für diese wichtige und komplexe Tätigkeit und Denkweise auszubilden, um dann zu sagen, die Kunst sei – für ein paar Wenige ausgenommen – brotlos. Als läge das in der Natur der Sache. Als wäre die Organisation der gegebenen Ordnung unumstößlich. Die Limitation des guten Lebens ist aber nicht erst in Anbetracht der vorhandenen gesellschaftlichen Ressourcen und Technologien durch nichts zu rechtfertigen. „Pay the Artist now!“ ist eine enorm wichtige Initiative unserer Interessensvertretung, deren starke Arbeit nun erste Früchte trägt. Die Politik darf und muss aber noch ordentlich nachschenken.

Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?

Das können andere besser beurteilen als ich. Und das ist wohl Geschmacksache.

Wollen Sie die Welt verändern?

Diese Frage lässt sich entweder naiv-selbstüberschätzt oder traurig-sarkastisch beantworten. Oder zynisch und uninvolviert. Sehen Sie sich lieber meine Kunst an!

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