SAMMLUNG HUBERT WINTER
Radiokolleg | 13 09 2022
Positionen in der Kunst: Birgit Jürgenssen
Als "Frau mit den Schuhen" ist die österreichische Künstlerin Birgit Jürgenssen bekannt geworden, die Reduktion auf den Zyklus "Schuhwerk", der den Fetisch-Charakter der Gehwerkzeuge aus feministischer Perspektive ironisierte, würde ihrem Schaffen jedoch nicht gerecht.
15. September 2022, 09:00
Jürgenssens Arbeiten sind vielschichtig, erstrecken sich von Fotografie bis zu Malerei, Zeichnung und Skulptur. Die feministische Kunst der siebziger Jahre hat sie maßgeblich beeinflusst - als Teil derselben und zugleich abseits davon. Jürgenssen brachte gesellschaftliche Zurichtungen nicht durch Body-Art und Performances zum Ausdruck, sondern näherte sich diesen mittels Alltagsobjekten: In der Foto-Serie "Hausfrauen - Küchenschürze" von 1975 trägt sie etwa einen surreal verfremdeten Herd am Leib, ihre frühen Zeichnungen tragen Titel wie "Bodenschrubben", "Bügeln" oder "Pflichten einer Ehefrau"; 1975 waren Jürgenssens Arbeiten Teil der von Valie Export kuratierten Schau MAGNA FEMINISMUS: KUNST UND KREATIVITÄT - einer der ersten Ausstellungen, ausschließlich mit Werken von Künstlerinnen.
Mit ihrer Porträtfotografie "Ohne Titel (Selbst mit Fellchen)" bekundete Birgit Jürgenssen einmal mehr ihre Verweigerung gegenüber gängigen Geschlechterbildern: Ihr Alter Ego trägt ein Fuchsfell über dem Gesicht, unverdeckt nur der rot geschminkte Mund mit gespitzten Lippen. "Die Frau", als schlaues und zugleich flüchtiges animal rationale? Mitnichten: Maske und Fetisch sind nur zwei von Jürgenssens ästhetischen Strategien, die das Zirkulieren von Bedeutung in Gang bringen; bis heute bleibt ihr "Signifikant Frau" in Bewegung - zuletzt im Rahmen der von Cecilia Alemani kuratierten, diesjährigen Venedig-Biennale. Im Hauptpavillon sind vier Zeichnungen der 2003 an einer Brustkrebserkrankung verstorbenen Künstlerin zu sehen. Ihr Thema: Mensch-Tier-Metamorphosen mit ungewissem Ausgang.
Gestaltung: Barbara Eder