Birgit Jürgenssen, Nest, 1979

SAMMLUNG HUBERT WINTER

Radiokolleg | 13 09 2022

Positionen in der Kunst: Birgit Jürgenssen

Als "Frau mit den Schuhen" ist die österreichische Künstlerin Birgit Jürgenssen bekannt geworden, die Reduktion auf den Zyklus "Schuhwerk", der den Fetisch-Charakter der Gehwerkzeuge aus feministischer Perspektive ironisierte, würde ihrem Schaffen jedoch nicht gerecht.

Jürgenssens Arbeiten sind vielschichtig, erstrecken sich von Fotografie bis zu Malerei, Zeichnung und Skulptur. Die feministische Kunst der siebziger Jahre hat sie maßgeblich beeinflusst - als Teil derselben und zugleich abseits davon. Jürgenssen brachte gesellschaftliche Zurichtungen nicht durch Body-Art und Performances zum Ausdruck, sondern näherte sich diesen mittels Alltagsobjekten: In der Foto-Serie "Hausfrauen - Küchenschürze" von 1975 trägt sie etwa einen surreal verfremdeten Herd am Leib, ihre frühen Zeichnungen tragen Titel wie "Bodenschrubben", "Bügeln" oder "Pflichten einer Ehefrau"; 1975 waren Jürgenssens Arbeiten Teil der von Valie Export kuratierten Schau MAGNA FEMINISMUS: KUNST UND KREATIVITÄT - einer der ersten Ausstellungen, ausschließlich mit Werken von Künstlerinnen.

Mit ihrer Porträtfotografie "Ohne Titel (Selbst mit Fellchen)" bekundete Birgit Jürgenssen einmal mehr ihre Verweigerung gegenüber gängigen Geschlechterbildern: Ihr Alter Ego trägt ein Fuchsfell über dem Gesicht, unverdeckt nur der rot geschminkte Mund mit gespitzten Lippen. "Die Frau", als schlaues und zugleich flüchtiges animal rationale? Mitnichten: Maske und Fetisch sind nur zwei von Jürgenssens ästhetischen Strategien, die das Zirkulieren von Bedeutung in Gang bringen; bis heute bleibt ihr "Signifikant Frau" in Bewegung - zuletzt im Rahmen der von Cecilia Alemani kuratierten, diesjährigen Venedig-Biennale. Im Hauptpavillon sind vier Zeichnungen der 2003 an einer Brustkrebserkrankung verstorbenen Künstlerin zu sehen. Ihr Thema: Mensch-Tier-Metamorphosen mit ungewissem Ausgang.

Gestaltung: Barbara Eder

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