
ALAMODE FILM/FREDRIK WENZEL
Östlunds Cannes-Gewinner
"Triangle of Sadness"
"Triangle of Sadness", also "Dreieck der Traurigkeit", darunter versteht man in der plastischen Chirurgie eine Falte zwischen den Augenpartien, die Models oft mit Botox behandeln lassen. So betitelt der schwedische Regisseur Ruben Östlund auch seinen neuen Film, eine Satire auf Klassenverhältnisse unter den Vorzeichen des materiellen Überflusses. Heuer hat "Triangle of Sadness" bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme gewonnen.
11. November 2022, 02:00
Gefühle sind dazu da, um sie zu inszenieren, sie ihrer Authentizität zu berauben, sie zu instrumentalisieren, und das vor allem zu einem Zweck: Dinge verkaufen und Profit machen. Wollte man eine Klammer für die zahlreichen Momente der Entfremdung in Ruben Östlunds neuem Film "Triangle of Sadness" finden, hier wäre eine.
"Ich demaskiere gerne die weniger zivilisierten Seiten …", Ruben Östlund
Es beginnt bei einem Casting in der Modebranche: Carl muss - je nach Modemarke - lächeln oder finster schauen, seine Beziehung zu einem Super-Model - einer Internet-Influencerin - ist fake und dient vor allem der Show in den sozialen Medien. "Ausgangspunkt meines Films waren Überlegungen, Schönheit als eine Art Währung zu verstehen, die die Hierarchie zwischen Menschen bestimmt", meint Regisseur Östlund.
Tyrannei der Langeweile
"Triangle of Sadenss" präsentiert keine kohärente Geschichte, keine Handlung aus einem Guss, sondern Momentaufnahmen aus der Welt von Reich und Schön, als überdrehte, pervertierte Auswüchse des Geldes, als Tyrannei der Langeweile. Zum Beispiel auf einer Luxusyacht mit illustrer Gästeschar: besagtes Influencer-Pärchen, ein einsamer IT-Milliardär, ein britisches Waffenproduzentenpaar ein russischer Oligarch und seine Frau in Champagnerlaune, die gerne die Gleichheit aller Menschen beschwört.
Zitate-Ringkampf
An den Widersprüchen in seinem Absurditäten-Kabinett hat Regisseur Östlunds sichtlich Spaß, doch das wäre zu kurz gegriffen. "Ich demaskiere einfach gerne die weniger zivilisierten Seiten von Menschen, gerade wenn sie vergeblich versuchen ihr Gesicht zu wahren", so Ruben Östlund.
Als die Yacht schließlich in Seenot gerät, werden nicht nur die Magensäfte, sondern auch Weltbilder durcheinander gerüttelt, etwa als Zitate-Ringkampf zwischen dem US-amerikanischen Kapitän, ein eingefleischter Marxist und dem reichen Russen: Der Unterschied zwischen einem Kommunisten und einem Anti-Kommunisten? Der eine hat Marx gelesen und der andere hat Marx verstanden, ergötzt sich der Russe an einem Bonmot von Ronald Reagan: "Der war ein lustiger Kerl!"
Frage der Perspektive
Im Grundton ist "Triangle of Sadness" heiter-grimmig, eine Komödie als Farce. Gleichheit und Ungleichheit, alles eine Frage der Perspektive, auch zwischen den Geschlechtern! Herrschen und Dienen, da kann sich das Blatt schnell wenden und dann hat auch Ruben Östlund seinen Karl Marx bei der Hand: ob privilegiert oder unterprivilegiert, stets bestimmt das Sein das Bewusstsein.
Gestaltung
- Arnold Schnötzinger