Märchenbücher

DPA/UWE ZUCCHI

Literatur am Feiertag

Märchen - kleine Erzählungen mit großer Wirkung

Wo das Wünschen noch geholfen hat.

"In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön; aber die jüngste war so schön, daß die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, sooft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald …"

Und schon sind wir mit den ersten Sätzen von "Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich", dem ersten der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, mittendrin in einer anderen Art von Welt. Oder wenn wir in E. T. A. Hoffmanns Märchensammlung "Die Serapionsbrüder" in den alten, mächtigen Kleiderschrank steigen. Oder mit Alice in den Bau des weißen Kaninchens plumpsen, oder mit dem zwölften Glockenschlag in Michael Endes "Unendlicher Geschichte" nach Phantásien hinüberwechseln.

Erster Kontakt zur Literatur

Die Geschichte der Märchen scheint unendlich: Stoffe daraus tauchen in den Fantasy-Romanen, Filmen und Computerspielen der Gegenwart auf. Auch im 21. Jahrhundert bleiben Märchen, das sei hier behauptet, für viele Menschen der erste Kontakt zu Literatur.

"Man erinnert sich an die Person, die einem dieses oder jenes Märchen erzählt hat, an deren Stimme. Man spürt der Situation wieder nach, in der man diese Geschichte zum ersten Mal gehört hat, Farben, Gerüche, Bilder eines Zimmers, Jahres- und Tageszeit. Wurde das Märchen vorgelesen oder eine Aufnahme davon abgespielt? Hat man das Märchen beim ersten Mal gehört oder doch vielleicht im Theater gesehen, im Puppenspiel?"

Märchen mit Markus Meyer

So die persönliche Erinnerung des Burgtheater-Schauspielers Markus Meyer an eine prägende Erfahrung seiner Kindheitsjahre. Sie hat seine spätere Berufswahl bestimmt, wie er rückblickend meint. Im Winter 2021, während eines abermaligen Lockdowns, bot er Ö1 an, einen Monat lang jeden Tag ein Märchen vorzulesen. Gesagt, getan: Den Februar hindurch erschien jeden Tag ein Podcast, einige waren auch in den "Radiogeschichten" zu hören. Eine Auswahl aus den 28 Folgen ist auf drei CDs der Reihe "Märchen mit Markus Meyer" in der Edition Ö1 festgehalten.

Die meisten von ihnen, so stellte sich heraus, stammen aus der Sammlung von Jacob und Wilhelm Grimm. Was macht gerade ihre Märchen so ungebrochen attraktiv? Das vermeintlich Archaische, die Tiefe der Zeit, die aus ihnen spricht? Gerade das ist allerdings von der Märchenforschung kräftig revidiert worden.

Gebrüder Grimm

Einige Erzähler:innen der grimmschen Märchen waren gebildete und belesene Menschen. Sie kannten die französischen Märchen von Charles Perrault, auch die Sammlung "Pentamerone" von Giambattista Basile war unter den (zum Teil durchaus schriftlichen) Vorlagen der Brüder Grimm. Diese Quellen sprachen unter anderem weit expliziter die sexuellen Aspekte der Handlungen aus, als es dann im 19. Jahrhundert schicklich war. Jedenfalls: Es handelte sich keineswegs um reine Volksüberlieferung, wie man es zur Zeit der Romantik sehen wollte - als das deutsche Bürgertum die Einigung des Landes anstrebte (wovon es sich politische Beteiligung erhoffte) und es galt, "den Geist des Volkes" aufzuspüren und festzuhalten.

Just die besondere Sprache der Kinder- und Hausmärchen ist nicht "Bäuerinnen in ihren Spinnstuben" abgelauscht, wie der Literaturwissenschafter Stefan Neuhaus anmerkt, sondern verdankt sich der kunstfertigen Bearbeitung der Grimms. Ihr knapper, beinahe karger und doch nicht unpoetischer Stil macht ihre Märchen anschlussfähig für die Fantasie und gibt Impulse, mit denen sich unter anderem in der Psychotherapie arbeiten lässt. Auch davon wird in dieser Märchenstunde zu hören sein.

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