Lotte und Leherb

APA/KURATORIUM ZUR FÖRDERUNG DER WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄTu

Hörbilder spezial

Lotte und ihr Maître

Das Künstlerpaar Lotte Profohs und Leherb

Unter den vielen originellen Künstlerpersönlichkeiten, die im Wien der Nachkriegszeit in Erscheinung traten, stechen zwei besonders hervor: Lotte Profohs und Leherb, damals noch Helmut Leherbauer. Sie lernen sich schon als Jugendliche an der Kunstakademie kennen, bald darauf, mit kaum 20 Jahren, ist die Profohs eine anerkannte Malerin und Grafikerin. Sie stellt in Frankreich, Deutschland, Belgien aus, ihr Werk wird von Museen angekauft, sogar im Louvre hängt ein Bild von ihr - der ersten österreichischen Künstlerin, der diese Ehre zuteilwird.

Leherbauers Werke dagegen übersieht man höflich, so des Malers Kommentar nach den ersten gemeinsamen Ausstellungen. Das ändert sich mit einem Schlag, als die Profohs einige seiner Radierungen zerschneidet und neu zu sogenannten Destruagen zusammenfügt, dem visuellen Pendant zum "Zeitzerstörungsmanifest", das er sich in Jahren der Erfolglosigkeit geschaffen hat.

Von der Biennale ausgeladen

Sie drängt ihn, seinen im größten Teil der Welt unaussprechlichen Namen zu ändern, und erfindet sich und ihn als Kunstfiguren, die fortan mit surrealen Performances verblüffen und schockieren. Und ihm den ersehnten Erfolg bringen: Zwischen ausgestopften Tauben und zerstörten Ziffernblättern, im Hamlet-Kostüm mit Spitzenjabot und schwarzen Strumpfhosen kreiert sich Leherb als schizophrenes Genie. Auch seine Malkunst wird nun entdeckt und gewürdigt.

Auslöser dafür ist ein österreichischer Kunsteklat: Für die Biennale in Venedig soll Leherb 1964 den Österreich-Pavillon gestalten. Er plant, die Wände tiefblau zu bemalen und mit toten Tauben, Flitterpuppen und Regenschirmen zu verzieren, während tiefblaues Wasser über seine Skulpturen fließt. Die Vorstellung ist dem gerade ernannten zuständigen Minister Theodor Piffl-Perčević zu exzentrisch. Er lässt, wie er im Fernsehen mitteilt, "sein Gemüt sprechen" und lädt Leherb wieder aus. Zum Termin im Ministerbüro erscheint Leherb mit einem auf die Stirn geklebten, glitzernden Glasbrocken, im Kostümverleih geborgten, theatralischen Stulpenhandschuhen und einer Halskette mit Makumba-Händen gegen den bösen Blick um den Hals, was Piffl-Perčević geflissentlich übersieht. Er verspricht Leherb, ihn bei einer der nächsten Biennalen zu berücksichtigen. Dazu kommt es nie.

Eklat macht Leherb bekannt

Der Kulturskandal zieht weite Kreise in Europa und macht Leherbs Namen international bekannt. Von da an geht es nur mehr aufwärts. Das Paar mit dem 1960 geborenen Sohn Anselm Daniel gehört bald zum Jetset. Leherbs Auftritte mit seiner schönen Frau werden in den Zeitungen lang und breit dargestellt. Lotte ist allgegenwärtig, auf seinen Bildern wie an seiner Seite. "Jetzt bin ich also Madame Leherb", stellt die Profohs fest. "So schnell ist das gegangen."

Lottes Hauptwerk ist Jahre davor entstanden. Der Zyklus, der 200 Zeichnungen umfasst und den Titel "Erbarmt Euch der Frauen" trägt, ist eine laute soziale und feministische Anklage, Profohs’ malerischer Protest als Antwort auf einen in den 1950er Jahren viel gelesenen Roman von Henry de Montherlant, "Pitié pour les femmes". Erbarmen mit den Frauen, die gebären, die ihren Kummer in Whiskey ertränken, die einsam bleiben in der Umarmung, Erbarmen mit den Alten, von der Gesellschaft Ausgestoßenen. Immer sind es Frauen in existenziellen Nöten. Mit diesen Bildern, eine Auswahl erscheint in einem Prunkband im Wolfrum-Verlag, findet die 28-jährige Künstlerin zu ihrem endgültigen Stil: "Ich bin eine expressionistische Schwarz-Weiß-Zeichnerin, und dabei bleibt es."

Provokanten Inszenierungen

Sie erregt Aufsehen und Anstoß. Nicht wie später durch die provokanten Inszenierungen von Maître Leherb und seiner Muse, sondern durch die drastische Darstellung von Frauen und vom Frausein.

In ihren mittleren Jahren beginnt ihr Rückzug, während sich Leherb noch bis tief in die 1980er Jahre als schwarzer Prinz des Surrealismus kostümiert. "Nicht wir, die Zeit hatte sich geändert. Nicht wir, die Zeit hatte uns zerstört", schreibt sie in ihr Tagebuch. Leherb stirbt 1997 mit 64 Jahren an einem Schlaganfall. Der drogensüchtige Sohn Anselm folgt 2001. Sie lebt weiter, zurückgezogen und beinahe vergessen, bis 2012.

Lotte Profohs war ihrer Zeit voraus. Zehn Jahre nach ihrem Tod ist es an der Zeit, ihr Werk neu zu entdecken ...

Gestaltung

  • Susanne Ayoub