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APA/HERBERT NEUBAUER

Transparenz bei öffentlichen Inseraten

Nach oben offener Lückenschluss

Die Bundesregierung verspricht mit ihrem Medienpaket volle Transparenz bei öffentlichen Inseraten, kein Tricksen mehr. Die Bagatellgrenze von 5000 Euro im Quartal und Medienprodukte, die weniger als viermal im Jahr erscheinen – das waren Schlupflöcher, die seit Bestehen des Gesetzes ausgenützt werden. Zum Beispiel von der Stadt Wien - und das speziell im über Jahrzehnte trainierten Zusammenspiel mit Gerhard Milletich.

Der Verleger mit besten Kontakten in die Wiener und burgenländische SPÖ ist seit einem Jahr ehrenamtlich ÖFB-Präsident und sieht sich dieser Tage mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Milletich habe seine Funktion als Fußball-Präsident missbraucht, um Inserate für seinen Verlag zu keilen - also private Geschäfte zu machen. Das schreibt der "Kurier", der sich auf ÖFB-Sponsoren beruft, die mit Milletich vor dessen ÖFB-Zeit geschäftlich nie etwas zu tun hatten.

Der Peter Schröcksnadel des Fußballs

Florian Skrabal, der Chefredakteur von "Dossier", das wiederholt zu Milletichs Geschäften mit SPÖ-dominierten Körperschaften recherchiert hat und in einem Fall Transparenz vor dem Verwaltungsgerichtshof erkämpfen konnte: "Gerhard Milletich ist so etwas wie der Peter Schröcksnadel des Fußballs. Ein Mann, der über Werbung Geld verdient und über seine ehrenamtliche Funktion viel Macht hat. Bisher hatte Herr Milletich vor allem geschäftlichen Erfolg durch seine parteipolitischen Kontakte zur Wiener SPÖ und zur burgenländischen SPÖ."

Gerhard Milletich

Gerhard Milletich - APA/ROBERT JAEGER

Korruptionsvorwurf gegen den ÖFB-Präsidenten

Allein im "Schau"-Magazin aus Milletichs Verlag, das Tageszeitungen in der Ostregion beigelegt wird, finden sich 2021 Inserate im Wert von einer knappen halben Million Euro aus dem roten Einflussbereich. Das, was der "Kurier" dem Verleger vorwirft, bezeichnet nicht nur Florian Skrabal schlicht als Korruption: "Es trifft die Definition von Korruption. Es ist der Missbrauch seiner anvertrauten Macht, die er als ÖFB-Präsident hat, zum eigenen Vorteil - wenn er quasi Sponsoren dazu anhält, mutmaßlich Inserate auch in seinen Medien zu schalten."

Für Fiedler "dringend aufklärungsbedürftig"

Ähnlich klar ist der ehemalige Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler, er engagiert sich bei Transparency International in Österreich. Die Vorwürfe gegen Milletich seien dringend aufklärungsbedürftig, sagt Fiedler. "Denn das - sollte es zutreffen, was hier dem ÖFB-Präsidenten vorgeworfen wird - ist natürlich ein glatter Fall von Korruption, das muss einem klar sein. Jetzt unabhängig davon, ob es strafwürdig ist oder nicht. Denn die Grenze der Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch muss nicht überschritten werden, wenn man von Korruption spricht."

Rechtliche Schritte gegen "Kurier" werden geprüft

Gerhard Milletich ließ auf unsere Bitte um Stellungnahme knapp wissen, Zitat: "Derzeit werden in dieser Angelegenheit gerade rechtliche Schritte geprüft. Daher ersuche ich um Verständnis, dass eine öffentliche Äußerung dazu bis auf weiteres nicht möglich ist." Die rechtlichen Schritte würden den "Kurier" treffen, für die Zeitung recherchiert hat der Sport-Journalist Andreas Heidenreich. Er sagt: "Ich bin sehr gelassen, was das betrifft. Ich habe diese Geschichte über acht oder neun Tage gewissenhaft recherchiert und bin überzeugt davon, dass das wasserdicht ist. Deshalb mache ich mir da überhaupt keine Gedanken."

Überraschend offene Türen bei Recherche

Heidenreich ist einem Bericht der Zeitschrift "News" nachgegangen, hat ÖFB-Sponsoren durchtelefoniert. "Ich war dann sehr überrascht, als ich den einen oder anderen angerufen habe, wie offen die darüber gesprochen haben. Also die haben überhaupt kein Geheimnis aus der Sache gemacht, sondern haben eigentlich mir sogar den Eindruck vermittelt, dass sie dankbar sind dafür, dass sie jemand dazu befragt und dass dieses Thema auf den Tisch kommt."

Gerhard Milletich und die Synergien

Wie Gerhard Milletich inhaltlich über die Sache denkt, die ihm jetzt vorgeworfen wird, das kann man in einer Anfang Oktober online gestellten Ausgabe des Podcasts "Zweierkette" hören. Befragt nach Synergien für seinen Verlag durch die Rolle als ÖFB-Präsident, sagt Milletich: "Grundsätzlich ist es sicher so, dass ich mehr Zugänge habe durch die ÖFB-Präsidentschaft. Ganz offen gesagt, wenn du als ÖFB-Präsident anrufst, dann sieht es anders aus, als wenn du als Key Accounter des Verlages auftrittst."

Erinnerung an Sobotka im Fellner-Fernsehen

Das ist nicht weit entfernt von dem legendären Sager von Wolfgang Sobotka - bei Wolfgang Fellner im Studio sitzend -, wonach es für ein Inserat selbstverständlich ein Gegengeschäft gebe. Ein Sinnbild für die immer noch tief verhafteten Denkmuster, was den Umgang mit öffentlichen Inseratengeldern betrifft. Für Franz Fiedler ist klar, dass genau deshalb eine Begrenzung der Inseratenausgaben nach ihrer Höhe kommen müsste, ein Deckel fehlt im Medienpaket der Regierung allerdings.

"Der Höhe nach total aus dem Ruder gelaufen"

"Ein Limit ist meiner Ansicht nach gerechtfertigt", sagt Fiedler. Er verweist darauf, dass ja auch nach dem Parteiengesetz dort die Spenden an die Parteien limitiert sind und "man sehr wohl, wenn man will, eine Grenze einsetzen kann". Florian Skrabal vermisst ebenfalls eine Bremse. "Wenn man sich ansieht, wie viel in Österreich an Werbung geschalten wird im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland, das ist ein Vielfaches davon. Das ist total aus dem Ruder gelaufen." Das sei ein Problem, weil der Medienmarkt weiter verzerrt werde dadurch.

Wichtig wäre Inseratenverbot vor Wahlen

Einen absoluten Deckel für Inseratenausgaben hält Skrabal für schwer umsetzbar, er plädiert stattdessen für ein Verbot von öffentlichen Inseraten vor Wahlen - in Deutschland gilt ein solches seit 45 Jahren. Dossier hat wiederholt dokumentiert, wie die Ausgaben für öffentliche Inserate genau vor Wahlen sprunghaft ansteigen. Florian Skrabal sagt: "Vor Wahlen darf es keine öffentlichen Inserate von Ministerien oder der Stadt Wien geben, um die eigene Leistung quasi zu bewerben und um sich auch noch das Wohlwollen von diversen Medien zu kaufen. Weil das ist ein Zweck dieser Inserate."

Deckel nach Einwohnerzahl war im Gespräch

In den Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen ist es sehr wohl auch um einen Deckel gegangen. Man hat sich an der Einwohnerzahl von Gebietskörperschaften orientiert und Modelle zwischen zwei und fünf Euro pro Einwohner gerechnet. Es ist unausgegoren geblieben, der Mut zum Deckel hat gefehlt. Es sei viel zu kompliziert, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Kommuniziert wird das von ÖVP-Medienministerin Susanne Raab so: "Eine Medienkooperation, ein Inserat per se ist nichts Anrüchiges, sondern es ist in vielfacher Weise auch etwas Notwendiges, da wir ja, wie wir die letzten zwei, drei Jahre gesehen haben, ständig in Krisen sind und es auch Notwendigkeiten gibt für die öffentliche Hand, darüber zu informieren."

Kritiker sehen Ausreden und Nebelgranaten

Und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sagt: "Das ist, glaube ich, das bessere Kriterium, nämlich die Transparenz und die inhaltliche Begründung (gemeint sind Werbewirkungs-Studien bei größeren Kampagnen, Anm.) - als ein Deckel, der quer über alle Institutionen eingezogen wird. Und selbstverständlich gibt es einen Deckel, der lautet: das Budget." Wo es im Budget einen Deckel für Öffentlichkeitsarbeit geben soll, ist schleierhaft. Ein glatte Ausrede, meinen Kritiker. Das Finanzministerium verweist auf Detailansätze im Budget und räumt ein, dass diese zu finden "eine Herausforderung" sei.

"Statt dass man einfach aufhört damit"

Raab hat in einem Hintergrundgespräch sogar erklärt, man wolle nicht als Bund das Inseraten-Problem der Stadt Wien lösen. Und das, obwohl die ÖVP sonst nichts lieber tut, als sich gerade mit der SPÖ Wien anzulegen. Womit sich der Kreis schließt: Die Wiener dürfen weiter Zig Millionen für Inserate verpulvern, müssen das anders als bisher aber alles transparent machen. Und wenn es Kritik gibt, hat der Bund weiter einen Sündenbock.

Fazit des Verlegers und "Datum"-Herausgebers Sebastian Loudon: "Ich glaube, dass das am System und an den eigentlichen Problemen gar nichts ändern wird. Aber man wird sich noch mehr damit befassen. Es wird daher noch mehr skandalisiert, anstatt dass man einfach aufhört damit."

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