Zeitungspapier, Magazine

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Neue Journalismus-Förderung

Medienreform mit blinden Flecken

Endlich soll es also mehr Geld für Qualitätsjournalismus geben. Die Regierung hat ihre Pläne für die neue Medienförderung vorgelegt. Obwohl erstmals auch Monatsmagazine und reine Onlinemedien Förderung bekommen sollen, werden wohl vor allem neue, junge Medien wieder durch die Finger schauen. Den Rest frisst vorerst die Inflation.

Die Branche reibt sich ungläubig die Augen. "Ich habe wirklich viele Medienreformen scheitern sehen in den letzten Jahren. Das ist die erste, wo man glauben kann, dass sie wirklich umgesetzt wird. Und selbst wenn sie so umgesetzt wird, wie sie sich derzeit darstellt, mit allen Mängeln und Schwächen, ist es eine deutliche Verbesserung zum Status quo", sagt Simon Kravagna. Er leitet das Forum für Journalismus und Medien (fjum), eine Einrichtung für Journalismus-Weiterbildung in Wien. Erstmals sollen auch Monatsmagazine und reine Online-Medien Förderung bekommen.

"Es besser als so wie bisher nichts"

Davon würde zum Beispiel das kleine Wiener Stadtmagazin "Biber" für Menschen mit Migrationshintergrund profitieren, das Kravagna mitbegründet hat. Verlagsleiterin Aida Duric meint: "Es ist besser als so wie bisher nichts", aber große Investitionen ließen sich damit nicht umsetzen. Für jede angestellte Redakteurin oder jeden Redakteur soll es 8000 Euro geben - in großen Redaktionen reduziert sich der Betrag. Beim "Biber"-Magazin arbeiten drei Angestellte. "Mit dem Geld würden wir Personal aufstocken, also mehr Leute in die Redaktion holen. Und natürlich wäre es schön, wenn wir auch mehrere Ausgaben produzieren können." Dazu kommt noch die "Biber"-Onlinetochter "Die Chefredaktion", die nur auf Social Media veröffentlicht. Ob für sie etwas extra abfällt, sei noch unklar, sagt Duric. Doch sie glaube es sowieso erst, wenn das Gesetz dann gilt.

Erste vorsichtige Berechnungen, was es bringt

Auch bei der Wiener Wochenzeitung "Falter" ist man vorsichtig. "Ich glaube es erst, wenn es Gesetz ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich kommt. Also - es wäre ein Wunder", sagt Geschäftsführer Siegmar Schlager. Er kennt nur den Vorentwurf der neuen Qualitäts-Förderung, aber keinen Begutachtungsentwurf für das Gesetz. Er hat aber schon einmal vorsichtig nachgerechnet: "Vielleicht kommen wir auf 200.000 Euro, und wir werden das tun, was wir bis jetzt auch gemacht haben. Wir werden in technische und in personelle Ausstattung investieren."

Die neue Förderung kommt oben drauf

200.000 Euro zusätzlich, über den Daumen gerechnet. Das ergibt sich aus dem Grundbetrag pro Redakteur oder Redakteurin - und Zusatzbeträgen, die vorgesehen sind für inhaltliche Kriterien wie Auslands- oder Regionalberichterstattung sowie Kriterien wie Fehlermanagement, Qualitätsmanagement und Frauenförderung - auch für Ausbildung gibt es Geld. Der "Falter" hat als Wochenzeitung bisher schon Presseförderung bekommen, die bleibt wie sie ist. Die neue Förderung kommt oben drauf. Die Presseförderung für Tages- und Wochenzeitungen macht bisher im Jahr rund 9 Millionen Euro aus, 20 Millionen Medienförderung sollen nun dazukommen, das wäre eine Verdreifachung der Mittel.

Bis zum Inkrafttreten 2024 wütet die Inflation

Bei der Tageszeitung "Der Standard" erwartet man sich - ebenfalls grob geschätzt - etwa eine Million Euro zusätzlich, aber noch nicht nächstes Jahr, sagt Geschäftsführer Alexander Mitteräcker: "Das ist momentan Kaffeesudlesen, weil wir nicht wissen, wann diese Förderung kommt. Wenn sie erst im Jahr 2024 zum Beispiel schlagend werden würde, dann hat die Inflation alles aufgefressen." Tatsächlich wird es wohl 2024 werden, ein Beschluss wird erst im neuen Jahr möglich sein, dann folgt die langwierige EU-Notifizierung - also die beihilfenrechtliche Genehmigung. Und weil in der Zwischenzeit die Kosten für Energie, Papier und Personal stark steigen, werde wohl nicht viel übrigbleiben, meint Mitteräcker. "Ich glaube nur, dass die ursprüngliche Zielsetzung, damit mehr Journalismus zu ermöglichen, nicht umgesetzt werden wird. Wir werden wahrscheinlich den Journalismus, den wir haben, halten können." Was er zwischen den Zeilen sagt: Er hofft, es muss trotz Kostenexplosion niemand gehen.

Das Qualitätsmedium "Datum" geht leer aus

Manche Qualitätsmedien gehen voraussichtlich ganz leer aus. Das Monatsmagazin "Datum" etwa. Verlagsleiter Sebastian Loudon sagt, "Datum" wäre nicht dabei. Denn bei den kolportierten Plänen ist die Regel, dass Journalistinnen und Journalisten nach dem dritten Anstellungsverhältnis gefördert werden. "Also man braucht mindestens drei und wir haben nur zwei." Für "Datum" arbeiten viele freie Autoren und Autorinnen - und nur für die Förderung noch jemanden anzustellen, das lehnt Loudon ab: "Das zahlt sich einfach nicht aus, da jetzt unsere Struktur aufzublähen, um ein paar Tausend Euro im Jahr zu bekommen." Sein Blatt lebe auch ohne die Journalismus-Förderung.

Stefan Apfl

Stefan Apfl - STEFAN FÜRTBAUER

Online-Kriterien wie für ein Print-Produkt

So argumentiert auch ein weiterer wahrscheinlicher Verlierer der geplanten Qualitätsförderung, Stefan Apfl. Er leitet den Onlineverlag #Hashtag. Seine Redaktion entwickelt journalistische Formate für soziale Medien wie YouTube, Instagram und TikTok, und sie bekommt wahrscheinlich auch - nichts. Das obwohl reine Onlinemedien erstmals Anspruch auf Förderung haben, aber nur wenn sie 40 Millionen Zeichen im Jahr an Text vorweisen können - unmöglich für junge Medien, die auf Video setzen. Auch wenn die Zeichen-Grenze aus dem Vorentwurf reduziert werden dürfte, dem Vernehmen nach auf 30 Millionen. Apfl: "Print-Zeitungen im Internet. Das wird gefördert. Journalismus auf Social Media, der stattfindet auf YouTube, auf TikTok, auf Instagram - der soll nicht gefördert werden. Das ist, was wir derzeit wissen."

"Nicht vergessen, sondern noch nicht erkannt"

Hat die Regierung also auf den jungen, modernen Journalismus vergessen? "Ich weiß nicht, ob die Medienpolitik in Österreich schon so weit ist, auf digitalen Journalismus in Social-Media-Zusammenhängen zu vergessen. Ich glaube, sie hat den noch gar nicht erst erkannt", meint Apfl. Sein Verlag schaut übrigens schon ein zweites Mal durch die Finger: Denn bereits bei der Digitalförderung geht das Geld an die etablierten Medien, damit sie ihre Internet-Aktivitäten fördern, während reine Onlinemedien nichts bekommen.

Die Jungen haben keine starke Lobby

Wieder einmal zeigt sich: Die Jungen haben keine Lobby - anders als die mächtigen Zeitungen, die durch den Verband VÖZ politisch ihre Muskeln zeigen. Deshalb fragt auch Simon Kravagna: "Wer lobbyiert eigentlich für junge Online-Medien?" Die Antwort ist: Niemand. Allerdings ist das im Netz auch gar nicht so einfach zu definieren, was Qualitätsjournalismus ist und was nicht. Man wolle keine Blogger und Influencer fördern, heißt es von Regierungsseite. Auch wer Hass verbreite oder zu Gewalt aufrufe oder den Rechtsstaat in Frage stelle, solle keine Förderung bekommen.

Wieviel Politik wird im Fachbeirat stecken?

Aber wer entscheidet im Zweifelsfall? Dafür ist ein Fachbeirat vorgesehen. Wie er besetzt werden könnte, ist noch völlig unklar. "Falter"-Geschäftsführer Siegmar Schlager wünscht sich echte Medienexperten, auch aus Deutschland, aber er befürchtet als gelernter Österreicher, dass es eine politische Besetzung geben wird. "Dann haben wir Stiftungsrats-Verhältnisse und das brauchen wir nicht." Ein Seitenhieb auf die nicht unumstrittene ORF-Gremienstruktur.

Simon Kravagna kritisiert, dass die Politik Widerspruch und Kritik offenbar nicht belohnen will: "Es werden nämlich überall die Mittel erhöht, bis auf die Medienforschung, bis auf die Presseklubs und bis auf den Presserat. Das wundert mich schon. Es sind natürlich vor allem diese Institutionen, die in der Medienpolitik immer besonders kritisch auftreten."

Fleckerlteppich mit einem Hauch "Show-Politik"

So bleibt unterm Strich: es wird vor allem mehr Geld geben für die großen Medienhäuser, die hier wieder druckvoll verhandelt haben. Zum alten Fördersystem wie Vertriebsförderung, besondere Presseförderung und Privatrundfunk-Fonds kommt einfach ein neues System dazu, wie Sebastian Loudon kritisiert: "Der Fleckerlteppich bleibt. Diese vielen unterschiedlichen Förderungen. Es ist ein großes Durcheinander, und es hat vor allem keine strategische Grundausrichtung."

Vier Wochen nach der Ankündigung der großen Medienreform gebe es noch keinen Begutachtungstext für das Gesetz, kritisiert Loudon. Er warnt vor einem weiteren Beispiel von "Show-Politik".

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