Thomas Schmid

APA/HELMUT FOHRINGER

Sittenbild der Verhaberung

Das "So sind wir" der Medien

Das Handy von Thomas Schmid wird auch für einige Medien immer mehr zum Verhängnis. Der Chefredakteur der "Presse", Rainer Nowak, chattete mit dem einst mächtigen türkisen Strippenzieher. Eine beispielhafte Distanzlosigkeit zwischen Politik und Medien offenbart sich. Die Abgrenzung vom System Kurz fällt vielen in der Branche noch immer schwer.

Eine Hand wäscht die andere. Rainer Nowak freut sich im Jahr 2019 mit Thomas Schmid über das erfolgreiche Hearing für dessen abgekarteten Aufstieg an die Spitze der Staatsholding ÖBAG. Schmid schreibt: "Jetzt du noch ORF-Chef!" Und weiter: "Alter - dann geht's aber ab. Danke für alles." Und Nowak antwortet: "Ehrensache. Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen." Darauf Schmid: "Unbedingt."

Chats dokumentieren gefährliche Nähe

Nowaks Ambitionen, auf einem ÖVP-Ticket ORF-Generaldirektor zu werden, sind lange bekannt. Ein neuer Bericht der Wirtschaft- und Korruptions-Staatsanwaltschaft, der infolge einer anonymen Anzeige verfasst wurde, zeichnet ein Bild der absoluten Verhaberung zwischen Politik und Medien. Schmid und Nowak plauderten auch über Journalisten, die "verräumt" werden sollen, Nowak gab Tipps, wie Regierungs-Pressesprecher auf Anfragen seiner eigenen Redaktion reagieren könnten, und es soll gemeinsame Abendessen, Disco-Besuche und Ibiza-Urlaube gegeben haben.

Rainer Nowak

Rainer Nowak

Rainer Nowak - APA/GEORG HOCHMUTH

"Presse"-Eigentümerin gibt Rückendeckung

Nowak spricht gegenüber dem "Standard" von "peinlichen und blöden Chats". Im eigenen Blatt hat er mit einem Tag Verspätung eine neuerliche Entschuldigung für "unangemessene Nähe" platziert, die sich aber nie auf die Berichterstattung in der Zeitung ausgewirkt habe, wie er beteuert. Die "Presse"-Eigentümerin, die Styria Media Group, macht Nowak weiter die Mauer. Styria-Chef Markus Mair spricht von "Kommunikationsfehlern". Nowak habe "möglicherweise aus Eitelkeit oder aus falsch verstandener Ironie mit einem Beamten kommuniziert, wie man es grundsätzlich nicht tun sollte". Das dürfe und werde nicht mehr vorkommen, so etwas sei eines Chefredakteurs nicht würdig, sagt Mair.

In der Redaktion rumort es gewaltig

Das Image der "Presse" sieht Mair nicht nachhaltig beschädigt. Die Redaktion des Qualitätsblatts sieht das komplett anders, die JournalistInnen-Seelen kochen. Am Montag findet eine Redaktionsversammlung statt, man wird sehen, wie laut dort Dampf abgelassen wird. Abwählen können sie den Chefredakteur nicht. Auch wenn es viele RedakteurInnen gern täten, sie fühlen sich hintergangen: Vor einem Jahr, als erste Chats bekannt wurden, haben sie Nowak noch das Vertrauen ausgesprochen. Jetzt fragen sie sich, wofür sich Schmid bei Nowak bedankt hat und mit wem in der Politik er noch Karriereplanung betrieben haben könnte.

Der Presserat warnt vor Machtmissbrauch

Medien-ethisch sei die Sache jedenfalls problematisch, meint Presserats-Geschäftsführer Alexander Warzilek. Die Aufgabe eines Chefredakteurs sei es eigentlich, der Redaktion den Rücken zu stärken. Kontakt zur Politik sei normal, sagt Warzilek: "Es ist auch in Ordnung, dass da ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut wird. Dabei darf es aber nicht dazu kommen, dass man sich vereinnahmen lässt und die Machtposition ausnutzt und für eigene Ambitionen einsetzt."

Episode Kurz medial nicht aufgearbeitet

"Verlottert und vermodert und verkommen" - Michael Sprenger von der "Tiroler Tageszeitung" hat auf Twitter angesichts der Zustände wieder an Thomas Bernhards "Heldenplatz" erinnert. Sein Befund für die Hinterlassenschaft von Sebastian Kurz gilt nicht minder für die Medien. Deren Rolle sei aber noch kaum aufgearbeitet worden, sagt Kolumnist und Kabarettist Florian Scheuba. Er vermisst Selbstreflexion. Der berühmte Satz "So sind wir nicht" von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gehöre genauso von den Medien gesagt, findet Scheuba. "Wenn das nicht passiert, bleibt stehen: Es sind in Wirklichkeit alle gleich. Die Fellners haben‘s halt erwischt dabei, aber die anderen machen es ja genauso."

Kindergarten mit plumper Litigation-PR

Gemeint ist das "Beinschab-Österreich-Tool", das via Fellner-Medien und laut Aussage von Thomas Schmid im Auftrag und mit Wissen von Sebastian Kurz umgesetzt worden sei. Kurz konterte mit dem Mitschnitt eines Telefonats mit Schmid, das ihn selbst reinwaschen sollte. Das schriftliche Protokoll dazu las Kurz selbst Journalisten in einem Hintergrundgespräch vor - mit verteilten Rollen. Anneliese Rohrer, Journalistin und Kolumnistin, ist ob dieser plumpen Litigation-PR fassungslos. "Wie kann man so etwas inszenieren und glauben, die Leute fressen das auch noch?"

Auch das Magazin "Fleisch" erinnerte die Sache offenbar an einen Kindergarten. Das Schmid-Kurz-Telefonprotokoll ließ man dort von Kindern einlesen.

Dem Glamour erlegen statt kritisch distanziert

Für Rohrer zeigt die Angelegenheit ein grundsätzliches Problem - und zwar das der nie eingestandenen Kritiklosigkeit vieler Medien gegenüber Sebastian Kurz. Der Mann habe eine Art Faszination ausgelöst, rätselt Rohrer. "Wieso kippen da so viele Leute rein? Warum? Weil's glamourös ist? Das war bei Haider so, das war bei Grasser so."

Die Nähe zur Macht wird hierzulande gern gesucht, dafür gibt es genug Zeitdokumente. Kurz, der von Journalisten gelobt wird, weil er bei Interview-Terminen Tee serviert oder in der Economy-Klasse fliegt, für den in Leitartikeln Gerechtigkeit gefordert wird, als Kritik an seiner ÖVP-Machtübernahme ertönt, und dem selbst nach den massiven Vorwürfen der Ermittlungsbehörden immer noch ein Comeback zugetraut wird.

Zudecker-Journalismus noch immer am Werk

Und abgeschlossen haben viele mit diesem Kapitel immer noch nicht. Nach der gewichtigen Rede des Bundespräsidenten mit der Forderung nach einer "Generalsanierung" schrieb Rudolf Mitlöhner im "Kurier": Demokratie werde nie generalsaniert sein und "ideologisch einseitige Moralisierung der Politik" sei daran mitschuld.

Für Florian Scheuba geht damit eine "Art von Zudeckung des Journalismus" weiter. Das sei bedenklich. Anneliese Rohrer rät zum selbstkritischen Blick: "Jedes Medium, jeder Chefredakteur, jeder Journalist muss für sich die letzten Jahre anschauen und fragen: Was habe ich versäumt? Oder was habe ich nicht richtig eingeschätzt?" Und daraus sollte dann auch jeder und jede seine Schlüsse ziehen.

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