Rauch, Protestierende und die chilenische Fahne

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Diagonal

Stadtporträt: Santiago de Chile

Chiles Hauptstadt ist seit Jahren in den Weltnachrichten. Es gab massive Proteste 2019: Millionen Menschen gingen auf der Straße wegen der lange angestauten Unzufriedenheit mit dem wirtschaftlichen und politischen System.

Erst im Februar dieses Jahres fand dann mit den Präsidentenwahlen ein politischer Wandel von rechts nach links statt. Der neue Präsident – ein ehemaliger Anführer der Studierendenbewegung - heißt Gabriel Boric.

Im Herbst 2022 stimmte das Land zudem über einen neuen Verfassungsentwurf ab. Mit dieser Constitución sollte ein neuer Geist Einzug halten. Denn die Pinochet Diktatur hat sich wie ein bleibender Schaden im Land festgesetzt. Allerdings: eine klare Mehrheit der Bevölkerung hat dagegen gestimmt. Das alles hat sich auf dieses Land, das Stadtleben, auf die Psyche der Menschen, den Alltag niedergeschlagen.

Santiago de Chile von oben

ORF/INES MITTERER

Etwa die Hälfte der chilenischen Bevölkerung lebt in der Region Metropolitana de Santiago, ein Drittel davon innerhalb der eigentlichen Stadtgrenzen: rund fünf Millionen Menschen. Übermäßig verschmutzte Flüsse, unzureichende Strukturen in der Abfallbeseitigung, Luftverschmutzung, Defizite im öffentlichen Verkehr und eine übermäßige Verkehrsbelastung sind nur einige Probleme der Stadt. Die Luftqualität gilt laut der Weltgesundheitsorganisation WHO als eine der schlechtesten der Welt. Das Thema Umweltschutz war daher auch ein wichtiger Punkt in der neuen Verfassung, die sich das Land geben wollte. In ihr sollte die Natur, sollten die Flüsse, die Wälder einen Rechtsstatus haben. Per Volksabstimmung lehnte der Großteil der Bevölkerung diesen radikal fortschrittlichen Entwurf ab, erarbeitet von einer gewählten verfassungsgebenden Versammlung.

Chief Heat Officer Santiago

Auch in Santiago de Chile wird es immer öfter immer heißer. Im Großraum Santiago mit seinen 52 Kommunen, leben 90 Prozent der acht Millionen Einwohner im innerstädtischen Bereich. Mehr Beton, mehr Asphalt, weniger Grün bedeutet extremere Hitze. Die Stadt reagiert auf die extremen Temperaturen als Folge des Klimawandels mit Maßnahmen. Unterstützt von der Arsht-Rockefeller Foundation werden sie von Chief Heat Officer Cristina Huidobro in die Wege geleitet. Sie hat sechs Verbündete in anderen heissen Städten dieser Erde wie Melbourne oder Athen. Gemeinsam entwickeln sie ein Programm.

Santiago ist das Wirtschafts- und Kultur-, aber auch das politische Zentrum Chiles. Allerdings: der Nationalkongress tagt in der Stadt Valparaiso am Pazifik, zwei Autostunden weiter westlich. Wenn, wie im Jahr 2018, Millionen Menschen zum Beispiel für Frauenrechte auf die Straße gehen; wenn, wie 2021, für soziale Gerechtigkeit demonstriert wird, dann freilich in Santiago de Chile. Der zündende Funke dazu musste lediglich die Preiserhöhung der U-Bahntickets sein. Und auch in der Musik des Landes war und ist vieles politisch.

Victor Jara

Der chilenische Musiker Victor Jara.

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Musik Santiago: Zwischen Politik und Selbstbehauptung

Musikalisch gesehen gibt es in Chile alles, was es anderswo auch gibt: Von Rock´n`Roll bis Synthpop, von psychedelischer Musik bis Hip Hop. Vieles war und ist jedoch politisch in der Musik. Victor Jara oder Violeta Parra oder Los Jaivas seien stellvertretend erwähnt. Die Diktatur hat auch da ihre Opfer gefordert. Thomas Mießgangs Reise durch die chilenische Musikgeschichte und Gegenwart beginnt in der Oper von Santiago de Chile.

Service

Diagonal. Stadtporträt Santiago de Chile | SA | 17 12 2022 | 17:05 Uhr