György Ligeti

György Ligeti - COBROERSE

Ö1 Konzert

RSO Wien spielt Ligeti & Ives

Mit György Ligetis Klavierkonzert (Solist: Denis Kozhukhin), den "Mysteries of the Macabre" (Yeree Suh, Sopran) sowie Charles Ives zweiter Symphonie und "The Unanswered Question" gastierten das RSO Wien und Chefdirigentin Marin Alsop am 28. Jänner im Wiener Konzerthaus.

2023 jährt sich der Geburtstag des im rumänischen Diciosanmartin geborenen Komponisten György Ligeti zum 100. Mal. Durch die Verwendung seiner Musik in Filmen wie 2001 - "Odyssee im Weltraum", "The Shining" oder "Eyes Wide Shut" des Regisseurs Stanley Kubrick wurde der Komponist einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Das RSO Wien widmet sich in Ligetis Jubiläumsjahr vor allem seinen Solokonzerten, einem Genre, dem sich Ligeti in den 1980er Jahren verstärkt zuwandte. Den Auftakt macht am 28. Jänner sein Klavierkonzert im Wiener Konzerthaus, das mit seinen "Mysteries of the Macabre" sowie der Zweiten Symphonie und "The Unanswered Question" von Charles Ives unter der Leitung von Marin Alsop kombiniert wird.

Ligeti betrachtete sich selbst als Nachfolger von Béla Bartók. Nachdem ihm wegen seiner jüdischen Herkunft das Studium der Mathematik und Physik verwehrt geblieben war, studierte er Musiktheorie und Orgel in Cluj und Budapest und forschte - wie Bartók - als Musikethnologe über rumänische Volksmusik. 1956, während des Ungarischen Volksaufstands, floh Ligeti aus Ungarn und war 1957/58 im Studio für elektronische Musik des WDR in Köln tätig, wo er sich u. a. mit den Werken von Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez auseinandersetzte. In den Folgejahren entstanden Werke wie "Artikulation", "Apparitions" und "Atmosphères". Damals beschäftigte er sich bereits mit Mikropolyfonie - dem gemeinsamen Erklingen vieler verschiedener Stimmen.

Musik als gefrorene Zeit

Verfremdete Klangfarben, extreme Register und ungewöhnliche Instrumente (Alt-Okarina, eine chromatische Mundharmonika und eine Lotusflöte) sowie zwei für Ligeti typische Kompositionstechniken sind in seinem Klavierkonzert besonders erwähnenswert. Zum einen der Einsatz sogenannter inhärenter Patterns. Dieser Begriff, geprägt vom Musikethnologen Gerhard Kubik, bezeichnet eine Rhythmusstruktur, die in zahlreichen afrikanischen Kulturen vorkommt: Zwei (oder mehr) Rhythmen erklingen gleichzeitig; durch unterschiedliche Akzente und Geschwindigkeiten entsteht ein weiterer hörbarer Rhythmus, der aber von niemandem tatsächlich gespielt wird.

Ähnlich ist die Idee hinter der Illusionsmelodik, der zweiten wichtigen Technik in diesem Werk. Sie entsteht durch die Kombination melodischer Reihen und lässt so weitere Klangwelten entstehen. Auch dafür wurde Ligeti von außereuropäischer Musik inspiriert: "Die mir so wichtigen musikalischen Illusionen sind dabei kein Selbstzweck, vielmehr Grundlage meiner ästhetischen Haltung. Ich bevorzuge musikalische Formen, die weniger prozesshaft, eher objektartig beschaffen sind: Musik als gefrorene Zeit, als Gegenstand im imaginären, in unserer Vorstellung evozierten Raum, als ein Gebilde, das sich zwar real in der verfließenden Zeit entfaltet, doch imaginär in der Gleichzeitigkeit in all seinen Momenten gegenwärtig ist."

Text: Anna Jagenbrein