Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures.

APA/EVA MANHART

Parteien-Kommunikation

Gegacker um Spalter und Verbrenner


Während die SPÖ kommunikativ im Führungs-Chaos versinkt, feilt die ÖVP gerade an ihrer immer FPÖ-ähnlicheren Positionierung. Parteiobmann Karl Nehammer setzte mit seiner langen Rede deutliche Schwerpunkte. Regulär wird erst im Herbst 2024 gewählt – aber die Parteien rüsten sich jetzt schon mit neuen Strategien.

Sujets der Twitter-Kampagne der SPÖ gehen gerade viral. Zu sehen sind etwa drei Hühner, die mit der Frage "Neu im Stall?", die 9.000 neuen Parteimitglieder willkommen heißen. Auf anderen Bildern steht, in der Sozialdemokratie esse man Schnitzel mit Ketchup oder, dass die Partei seit 134 Jahren Rock’n’Roll verbreite. Es sind flapsige Sprüche, die viele ratlos zurücklassen und Wasser auf den Mühlen der partei-internen Kritiker sind, die am Team rund um Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner kein gutes Haar mehr lassen.

Nicht erst seit sich die Partei im Führungsstreit durchgerungen hat, eine Mitgliederbefragung durchzuführen, erlebt die SPÖ kommunikative Chaos-Tage. Wer darf antreten, wie bindend ist das Votum der Basis, soll es eine Stichwahl geben? Fragen, auf die es tagelang keine oder unterschiedliche Antworten gab. "Es scheint eine völlige Unübersichtlichkeit und fast blanke Anarchie ausgebrochen zu sein", analysiert der Experte für Krisenkommunikation Martin Zechner, der Unternehmen in Notlagen berät, wie sie sich verhalten können. Die Partei habe die Chance vertan, zu ordnen, denn eigentlich gelte das Motto, wie es einst Winston Churchill formulierte, "Never waste good crisis", sagt Zechner.

Kanzler versucht Positionierung

Von Inflation bis Pandemie - mit Krisen haben auch die Regierungsparteien zu kämpfen und das belastet die Koalition zunehmend. Regulär wird erst im Herbst 2024 gewählt, die Partei-Strategen haben aber offenkundig bereits begonnen vorzubauen.

So wetterte Kanzler Karl Nehammer in seiner groß inszenierten "Rede zur Lage der Nation" gegen das Gendern, lobte das Prinzip Leistung und er stellte sich ganz klar auf die Seite von klimaschädlichen Verbrennungs-Motoren. "Österreich ist das Autoland schlechthin", sagte Nehammer. Es war ein Affront gegenüber dem grünen Regierungspartner, der gerade erst seine "Klima-Glück"-Kampagne lanciert hat.

Der Krisen-Kommunikationsexperte Zechner sieht ein Muster, das er schon aus der Corona-Krise kennt. "Man ordnet die Sache dem Populismus unter und versucht damit billig Wählerstimmen zu bekommen." Die Erderhitzung seriös zu behandeln würde bedeuten: Der Bevölkerung Lösungsstrategien und Handlungsmöglichkeiten anzubieten. Das mache die Politik derzeit nicht, sagt Zechner.

ÖVP-Wien "offen rassistisch"

In der Hauptstadt schürt die ÖVP vielmehr ganz offen Ängste. ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer erklärte ausgerechnet den hippen Brunnenmarkt in einem Facebook-Video zur No-Go-Area. "Syrer, Afghanen, Araber" hätten den Brunnenmarkt "übernommen", der Markt sei "kein Wiener Wahrzeichen mehr". "Mahrer agiert hier offen rassistisch", sagt Walter Otto Ötsch dazu. Der Ökonom und Populismus-Experte findet, dass sich die ÖVP seit der Parteiübernahme von Sebastian Kurz schrittweise in eine rechtspopulistische Partei gewandelt hat. "Kurz hat spätestens seit 2015 verstanden, dass man mit einer rechtspopulistischen Rhetorik Aufmerksamkeit gewinnen kann", so Ötsch. Nehammer habe sich davon nie distanziert, setzte mit Gerald Fleischmann jetzt auch wieder auf denselben Kommunikationsstrategen. Dass die Volkspartei in Niederösterreich jetzt mit dem "rechten Flügel der FPÖ" koaliere, deute auf eine Verschärfung hin, sagt Ötsch.

FPÖ im radikalen Höhenflug

Für die FPÖ läuft indes alles wie geschmiert. Umfragen sehen die Freiheitlichen wieder weit vorne, die Krise nach der Ibiza-Affäre scheint überwunden. Parteiobmann Herbert Kickl kann mit seiner radikalen Rhetorik munter Stimmen sammeln, mit ihrer Fundamentalopposition zu allen Corona-Maßnahmen treibt die FPÖ die anderen Parteien vor sich her. "Die SPÖ ist hilflos und die ÖVP hat jetzt die Strategie gewählt, Teile dieser Politik zu übernehmen. Mit der Folge, dass sich der Diskurs verschiebt. Österreich wird rechter", sagt Ötsch. Die FPÖ könne mit ihrer Strategie der Eskalierung eigentlich nichts falsch machen. "Es ist immer der Kampf um Deutungshoheit und Deutungshoheit bekomme ich nur, wenn ich noch radikaler argumentiere."

Corona-Versöhnung hilft Freiheitlichen

Dass der angekündigte Corona-Versöhnungsversuch von Kanzler Nehammer dem etwas entgegensetzen kann, glauben beide Kommunikations-Experten nicht. Eine Reflexion der Pandemiepolitik sei zwar wichtig, aber in der Art wie es geschehe, ein Kniefall. "Wenn Kanzler Nehammer zum Beispiel sagt, die Regierung war Experten hörig, dann gibt man eigentlich den Demonstranten und der späteren Politik der FPÖ recht", sagt Ötsch. Auch Martin Zechner glaubt, dass die Regierung mit ihrer Politik den "Spaltern in der Gesellschaft" einen sehr großen Gefallen macht. Immerhin sei die Spaltung ein Narrativ der Gegner, das man daher erst gar nicht aufgreifen dürfe.

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