Buchstand auf der Leipziger Buchmesse

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Leipziger Buchmesse

Gücyeter gewinnt Belletristik-Preis

Dincer Gücyeter wurde für seinen Roman „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Als Sohn türkischer Gastarbeiter absolvierte er eine Lehre zum Werkzeugmechaniker, fand daneben aber schon früh zum Schreiben und zum Theater.

Im Roman beschreibt Gücyeter, der Jahrgang 1979 ist, das Ankommen seiner Familie in Deutschland und seinen eigenen Werdegang, in verschiedenen Textsorten und Stimmen, die Kapitel können Rap oder Gebet sein, Gedicht oder Bekenntnis. Im Interview spricht er über seine literarischen Wurzeln in der Lyrik, den Einfluss der Schauspielerei auf sein Schreiben und erzählt, warum er aus Eichhörnchen gerne Elefanten macht.

Vier Jahre nach der letzten Leipziger Buchmesse, die 2019 einen Publikumsrekord verzeichnete, zeigt sich Messechef Oliver Zille euphorisch über den Neustart und zugleich zurückhaltend, wenn es um Zahlen und Prognosen geht. Im Interview spricht er darüber, ob er während der Pandemie anders hätte handeln sollen, was die Leipziger Buchmesse zu einem starken politischen Ereignis macht und wie es seiner Meinung nach um die Zukunft des Buches bestellt ist.

Rund um den österreichischen Gastlandauftritt gibt es auch einige Ausstellungen, darunter die Schau „Jetzt & Alles“ im Buch- und Schriftenmuseum über die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. Kuratiert haben sie Kerstin Putz und Bernhard Fetz vom Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek. Der Titel spielt an auf die Vielzahl und Vielfalt dieser Literatur, auf den Moment des Schreibens, aber auch auf Elfriede Jelineks Ausspruch „Achtung! Das Vergangene findet jetzt statt!“, die in der Ausstellung nicht nur mit Texten, sondern auch in Gestalt einer Klappmaulpuppe von Nikolaus Habjan vertreten ist.

Ein Fixpunkt und Höhepunkt der Messe ist die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse, der in den Kategorien Belletristik, Sachbuch und Übersetzung vergeben wird. Der Preis für Belletristik geht heuer an den 1979 in Nettetal geborenen Lyriker, Theatermacher und Teilzeit-Gabelstapelfahrer Dincer Gücyeter für die vielstimmige Familiengeschichte „Unser Deutschlandmärchen“. Der Preis für die beste Übersetzung geht an Johanna Schwering, der Preis für das beste Sachbuch an Regina Scheer.

Mit einer kritischen Rede zu Politik und Medien von Doron Rabinovici wurde der 400m² große österreichische Gastlandpavillon eröffnet. Ein Rundgang.

Eröffnungsredner der Buchmesse war am Mittwoch, neben der deutschen Kulturministerin Claudia Roth, auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Im Zentrum des Abends aber stand die Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an die russisch-jüdische Lyrikerin Maria Stepanova für ihren Gedichtband "Mädchen ohne Kleider". Die Laudatio hielt Ilma Rakusa.

Maria Stepanova

Maria Stepanova

Maria Stepanova - PICTUREDESK.COM/DPA/HENRIK SCHMIDT

Nach drei Jahren Corona-Zwangspause findet von 27. bis 30. April die erste Leipziger Buchmesse seit 2019 statt. Zum ungewohnt späten Termin gibt es ein neues Konzept und einen opulenten österreichischen Gastlandauftritt.

Böse Zungen hatten schon das endgültige Aus prognostiziert. Nun ist die Messe zurück: mit noch stärkerem Publikumsfokus und noch mehr Dialog statt passiver Konsumation, verspricht Messechef Oliver Zille: "Wir haben das neue Format 'Buchbar' gegründet, wo man an dem Kaffeehaustisch mit den Autoren direkt ins Gespräch kommen kann - nicht nur über einzelne Bücher, sondern über Themen."

Der Publikumsaustausch, für den die Messe seit jeher steht, soll mit Formaten wie diesem noch verstärkt werden. "Das ist ein Experiment. Ich sage immer, ein Trau-dich-Format. Aber wenn das gut aufgeht, dann ist das etwas, was in Zukunft, unsere Präsentation der Literatur auf der Messe mitbestimmen wird," so Zille.

Katja Gasser und Oliver Zille

Katja Gasser und Oliver Zille

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Vorsichtiger Optimismus zum Wiedersehen

Der Fokus auf die eigene Stärke kommt wohl nicht zufällig zum Neustart, immerhin hatte es rund um die Absagen der letzten drei Jahre viel Diskussion und Infragestellung der Veranstaltung insgesamt gegeben. Ein groß angelegtes Politikgespräch brachte im Vorjahr aber offenbar ausreichend Rückenwind und finanzielle Mittel, um wieder genügend Verlage und vor allem Publikum nach Leipzig zu bringen.

An die Rekordzahlen von 2019 (286.000 Besucherinnen und Besucher) will Zille gleich gar nicht anknüpfen. Man gebe sich schon mit rund 130.000 Gästen zufrieden, hieß es im Vorfeld der Messe, und die haben ein breit gestreutes Interessensgebiet, wie allein der Blick auf die Gästeliste zeigt: Angela Merkel, Bestsellerautor Sebastian Fitzek und Schlagersänger Roland Kaiser finden sich dort. Auch die parallele Veranstaltungsreihe "Leipzig liest" bringt wie immer zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus unterschiedlichen Genres in die Stadt.

Messestand

ORF/KURT REISSNEGGER

Der Österreich-Stand in Leipzig

Kleiner, feiner, konzentrierter

Allerdings sind für "Leipzig liest", aber auch für die Veranstaltungen auf der Messe deutlich weniger internationale Gäste angekündigt als vor der Pandemie.

Oliver Zille: "Wir sind in einer Wirtschaftskrise. Alle müssen rechnen, auch die Verlage. Und wir haben bewusst von unserer Seite die Programme begrenzt. Insofern sind 2.500 Veranstaltungen immer noch eine gigantische Menge."

Opulente Österreich-Sause

Keine Kosten und Mühen gescheut hat jedenfalls Österreich für seinen Gastlandauftritt: 60 Verlage und rund 200 Schriftstellerinnen und Schriftsteller kommen nach Leipzig, um in 110 Veranstaltungen Sprachkunst und Sprachlust auf österreichisch zelebrieren.

Der begleitende Podcast und die Fernseh-Porträtreihe "Archive des Schreibens" bleiben auch nach dem Messeauftritt verfügbar. "So ein Auftritt ist ja immer auch eine Erzählung von etwas", sagt die künstlerische Leiterin des Gastlandauftritts, Katja Gasser. Als Gegenerzählung zum hermetischen "miasanmia" kredenzt sie den Gastland-Slogan "meoiswiamia", den der Wiener Autor Thomas Stangl erfunden hat.

Weltoffenheit auf Österreichisch

Der Leitspruch ist zugleich ein charmanter Zungenbrecher für die Bundesdeutschen Nachbarn und ein klares Bekenntnis zum Blick über den Tellerrand - etwa in der kritischen Frage, wer denn dieses Wir überhaupt sei in einer sich wandelnden, pluralen Gesellschaft, so Gasser.

Aber natürlich steckt in dem Wortspiel auch eine formale Verneigung vor den großen österreichischen Sprachkünstlerinnen und Lautpoeten, wie sie etwa auch am Freitagabend im Rahmen der Veranstaltung "Die Wiener Gruppe & ihre Nichten und Neffen" gewürdigt werden.

Fahnen der Leipziger Buchmesse

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Seethalers neuer Roman kommt ganz ohne historische Persönlichkeiten aus, Protagonist ist da vielmehr Wien vor gut fünfzig Jahren (Claassen).

In "Was der Tag bringt" schildert der begnadete Beobachter die Auswüchse der postpandemischen Gesellschaft aus den Augen eines gescheiterten End-Dreißigers (Kiepenheuer & Witsch).

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Leipziger Buchmesse - 27. bis zum 29. April 2023
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