Lorenz Widauer, Michael Marginter & No Harm done

CHRIS PARKER

Ö1 Jazznacht

Junger Jazz aus Österreich

Argentinisch-österreichische Solidarität als Basis der Ö1 Konzertreihe "5 Millionen Pesos" im ORF RadioKulturhaus.

Seit Oktober 2015 hat sich wohl schon so manche Zeitgenossin (und mancher Zeitgenosse) gefragt, was denn da um Himmels willen passiert ist. Warum denn bitte dieser ominöse Betrag von fünf Millionen Pesos ausgerechnet in Verbindung mit Jazzmusik immer wieder in Ö1 genannt wird. Sind hier ein lateinamerikanischer Mäzen, eine Bank oder ein Investitionsfonds am Werk? Und wird am Ende gar die von so vielen so geschätzte Werbefreiheit in Ö1 unterlaufen?

Bevor wir uns der Antwort auf diese Frage widmen: Es war tatsächlich der Abend des 9. Oktober 2015, als das Wiener Quartett Month of Sundays im RadioCafe des Wiener RadioKulturhauses aufspielte und das erfreulich zahlreich erschienene Publikum mit aparter Musik zwischen Jazz, Postrock und akustischen Ambient-Klängen verzückte.

Vielfalt ist angesagt

Seither sind ungefähr 75 weitere Konzerte in der Reihe "5 Millionen Pesos " für jungen Jazz gefolgt: Den eingeladenen Musiker:innen ist gemeinsam, dass sie ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben oder einen österreichischen Pass besitzen. Und dass sie in ihrer Musik Ansätze zu eigener, origineller Handschrift aufweisen. Dabei ist Vielfalt angesagt: ob an swingendem Hardbop orientiert oder frei improvisierend, ob von Singer-Songwriter:innen oder von Mikrotonalität inspiriert. Seien es die komplexen, wuchtigen Bläsersätze des 21-köpfigen Ralph Mothwurf Orchestra oder die kammermusikalischen Duominiaturen des Violine-Gitarre-Duos der Schwestern Mira und Sara Gregoric: Das Spektrum ist ein stilistisch wie besetzungsmäßig überaus farbenreiches.

Die Konzerte werden von Ö1 aufgenommen und (in der Regel) in der "Ö1 Jazznacht" gesendet. Üblicherweise werden auch die jeweiligen Bandleader:innen zuvor zum Studiogespräch gebeten - die Sendungen erreichen Zehntausende Hörer:innen, live bzw. in der Nachhörfunktion. Auf diese Weise stellt "5 Millionen Pesos" eines der bedeutendsten Formate für jungen österreichischen Jazz dar.

Drei "Jazznächte" im Mai

Im Mai 2023 stehen die "Ö1 Jazznächte" sogar mehrheitlich im Zeichen dieser Reihe: Da wird die 25-jährige Tiroler Bassistin Anna Reisigl vor das Mikrofon gebeten, die im Februar mit ihrem ambitionierten AR Project im Studio 3 des RadioKulturhauses gastiert hat. Dort wurde auch das Quintett Sound Pollution Eclectic des in Graz lebenden schwedischen Posaunisten Karel Eriksson aufgenommen, auch er wird darüber im Jazznacht-Interview plaudern.

Und am 13. Mai wird im RadioKulturhaus das vom Salzburger Trompeter Lorenz Widauer und dem Villacher Saxofonisten Michael Marginter (Jahrgänge 1998 bzw. 1999) geleitete Quartett No Harm Done konzertieren: Widauer ist als Teenager als instrumentale Doppelbegabung aufgefallen, er hat sowohl Haydns Trompetenkonzert wie auch Mozarts C-Dur-Klavierkonzert als Solist aufgeführt, bevor er sich dem Jazz zugewandt hat - auch darüber wird er gut eine Woche später in der "Ö1 Jazznacht" sprechen.

Hilfe an das marode Österreich

Es gilt noch, die eingangs gestellte Frage zu beantworten: "5 Millionen Pesos"hat mit der Adresse des RadioKulturhauses (Argentinierstraße 30a) zu tun. Denn: Fünf Millionen Pesos ist jene Summe, die die Republik Argentinien nach dem Ersten Weltkrieg dem zum Kleinstaat geschrumpften, wirtschaftlich maroden Österreich gespendet hat. Zum Dank für diese großzügige Geste wurde 1921 die bis dahin Alleegasse genannte Verkehrsader durch den vierten Wiener Gemeindebezirk in Argentinierstraße umbenannt. 100 Jahre später sind es musikalische Grenzen, über die hinweg hier gedacht und musiziert wird.

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