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Sibylle Lewitscharoff (1954-2023)
Sibylle Lewitscharoffs Stil war genauso leichtfüßig wie wortgewaltig, mit Romanen wie "Das Pfingstwunder" und "Blumenberg" war sie zwei Mal für den Deutschen Buchpreis nominiert, mit "Apostoloff" wurde sie 2009 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Am Samstag starb die Büchner-Preisträgerin in Berlin im Alter von 69 Jahren. Die genauen Todesumstände sind bisher nicht bekannt. Sie litt seit Jahren an Multipler Sklerose.
15. Juni 2023, 02:00
Mit ihrer Erzählung "Pong" überzeugte die am 16. April 1954 in Stuttgart geborene Autorin im Jahr 1998 beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt. In den Jahren danach schrieb Lewitscharoff die Romane "Der Höfliche Harald" (1999), "Montgomery" (2003) und "Consummatus" (2006). 2013 wurde sie schließlich mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
2017 sorgte Lewitscharoff mit ihrem Beitrag im Rahmen der traditionsreichen Dresdner Reden für Aufsehen und nachhaltige Kritik. Darin bezeichnete sie Retortenkinder als "Halbwesen". In der Rede hieß es: "Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas." Sie verglich die Reproduktionsmedizin mit Praktiken aus dem Nationalsozialismus und sprach von "gegenwärtigem Fortpflanzungsgemurkse", das ihr "widerwärtig erscheint".
ORF
Kritik an schroffen Worten
Die Reaktion war gewaltig, die Ablehnung reichte vom Schwulen- und Lesbenverband über die Akademie der Wissenschaften bis hin zur Kirche. Kritiker forderten auch, ihr den Büchner-Preis abzuerkennen. Später distanzierte sich Lewitscharoff von ihren Äußerungen. "Ich habe das mit zwei, drei sehr dummen, sehr aggressiven Sätzen selbst verbockt", wurde sie dazu in der "Süddeutschen Zeitung" zitiert.
In der umstrittenen Rede ließ sie auch die religiösen Überzeugungen anklingen, die sie ebenfalls prägten. "Mein Schicksal liegt in Gottes Hand", sagte sie. Sie kritisierte eine moderne Gesellschaft, "die fortlaufend bestrebt ist, keine höhere Macht mehr anzuerkennen als die Macht des Menschen". Viel davon findet sich in ihrem Roman "Das Pfingstwunder", mit dem sie ihre Leserinnen und Leser 2016 auf einen Weg durch Himmel und Hölle führte.
Die Tochter eines bulgarischen Vaters und einer deutschen Mutter studierte Religionswissenschaften in Berlin, wo sie nach längeren Aufenthalten in Buenos Aires und Paris auch lebte. Lewitscharoff war auch Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Berliner Akademie der Künste.
Text: APA/dpa, Red.