Peter Simonischek

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

1946-2023

In memoriam Peter Simonischek

Der Schauspieler Peter Simonischek starb zu Pfingsten im Alter von 76 Jahren. In seiner langen Karriere gelang ihm das Kunststück, sowohl den Liebhabern der schweren Dramatik als auch den Freunden leichter Komödien, den Theatergängerinnen wie den Kinofans, Radiopublikum wie Fernsehcouchbewohnerinnen ans Herz zu wachsen. Ö1 würdigt den Vielseitigen mit zahlreichen Programmänderungen.

Seine große Popularität beim Publikum verdankte Simonischek nicht zuletzt seiner frappanten Fähigkeit, in verschiedenste Charakterfächer zu schlüpfen und sich diese ganz zu eigen zu machen. So ist etwa seine Interpretation eines Pariser Lebemannes an der Seite von Udo Samel in Klaus Michael Grübers Wiederentdeckung des Labiche-Stücks "Die Affäre Rue de Lourcine" an der Berliner Schaubühne legendär. Zugleich bleibt er vielen als Herr des Salzburger Domplatzes in Erinnerung, wo Simonischek 2002 bis 2009 eine Rekordzahl prägnanter Auftritte als "Jedermann" absolvierte. Und schließlich trat er mit der Tragikomödie "Toni Erdmann" noch ins Rampenlicht des Weltkinos.

Peter Simonischek als "Jedermann", 2009

Peter Simonischek als "Jedermann", 2009

APA/BARBARA GINDL

Früher Berufswunsch

Peter Simonischek wurde am 6. August 1946 in Graz geboren und wuchs im oststeirischen Markt Hartmannsdorf auf. Er begann ein Studium auf der Technischen Hochschule in Graz, außerdem auf Wunsch seines Vaters, der Zahnarzt war, eine Zahntechniker-Ausbildung. Bald interessierte ihn aber nur mehr der Schauspielberuf, und er begann eine Ausbildung an der heutigen Kunstuniversität. Er stand auch im Grazer Schauspielhaus auf der Bühne, wohin er Jahrzehnte später zurückkehrte und in Henrik Ibsens "Baumeister Solness", Götz Spielmanns "Imperium" und mehreren Soloauftritten große Erfolge feierte.

Zwei Jahrzehnte an der Berliner Schaubühne

Über St. Gallen, Bern, Darmstadt und Düsseldorf ging es für Simonischek nach Berlin, wo er ab 1979 für 20 Jahre lang dem Ensemble der Schaubühne angehörte. Dort wurde er zum Star und arbeitete mit Peter Stein, Luc Bondy oder Andrea Breth. Dennoch riss auch in dieser Zeit die Verbindung zu Österreich nicht ab, war Simonischek doch etwa wiederholt auch bei den Salzburger Festspielen zu erleben, so etwa in Handkes "Prometheus, gefesselt" und in Tschechows "Kirschgarten".

"Der Kirschgarten", 1989

"Der Kirschgarten", 1989

PICTUREDESK.COM/ULLSTEIN BILD

Seit 1999 am Wiener Burgtheater

Seine Antrittsrolle am Burgtheater, der John Gabriel Borkman, war nicht nur ein Neuanfang am neuen Haus mit Beginn der Direktion Klaus Bachler 1999. Es war gleichzeitig auch die Rückkehr in die Heimat. Seither war Simonischek nicht nur Ensemblemitglied des Hauses am Ring, sondern seit 2019 auch hochoffiziell dessen Ehrenmitglied. Er spielte auf der legendären Bühne von Nestroy und Tschechow über Thomas Bernhard und Edward Albee bis hin zum selbstverliebten Frauenhelden Gustav Heink in Hermann Bahrs "Das Konzert" oder dem todkranken Professor in der Adaption von Sally Potters "The Party".

"Das Konzert", 2015

"Das Konzert", 2015: Peter Simonischek und Regina Fritsch

APA/ROLAND SCHLAGER

Intensive Filmkarriere

Simonischeks Filmlaufbahn verlief parallel zu seiner Schauspieltätigkeit. Er spielte in Axel Cortis "Herrenjahre" (1983) ebenso wie in Margarethe von Trottas "Fürchten und Lieben" (1988) oder "Gebürtig" (2002, Lukas Stepanik und Robert Schindel). Als Toni Erdmann in Maren Ades gleichnamigem Film feierten ihn Publikum und Kritik gleichermaßen: Eingeladen zu den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2016, wurde er beim Europäischen Filmpreis als "European Actor 2016" und beim 45. Festival du nouveau cinéma in Montréal als "Bester Schauspieler" ausgezeichnet.

Peter Simonischek in "Toni Erdmann"

Peter Simonischek in "Toni Erdmann", 2016

ORF/KOMPLIZEN FILM

Peter Simonischek war in erster Ehe mit Charlotte Schwab verheiratet, der gemeinsame Sohn Max Simonischek ist ebenfalls Schauspieler. Mit seiner zweiten Frau Brigitte Karner - zuletzt als Ö1 Schauspielerin des Jahres ausgezeichnet - hatte er zwei Söhne. Als letztes Familienprojekt mag die Ö1 Hörspiel-Produktion von Thomas Bernhards "Theatermacher", gelten. Simonischek ist in der Rolle des Staatsschauspielers Bruscon zu hören, ihm zur Seite stehen Ehefrau Brigitte und Sohn Kaspar, der in Linz Schauspiel studiert.

Peter Simonischek, Brigitte Karner und Kaspar Simonischek

Peter Simonischek, gemeinsam mit Ehefrau Brigitte Karner und Sohn Kaspar als "Theatermacher"

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Man sucht und fliehet mich. Oft fand mich, wer mich fliehet;
und wer mich sichte, fand mich nicht.
Mich kennt niemand von Gesicht,
weil gleich erblindet, wer mich siehet.
Mich zu erraten, lass ich dir
vielleicht noch funfzig Jahr´, vielleicht nur wenig Stunden.
Doch wisse Freund: wer mich gefunden,
errät mich nie; das glaube mir.

Dieses anonyme Gedicht war eines der von Peter Simonischek für "Du holde Kunst" persönlich ausgesuchten. Ö1 wiederholt die Sendung aus gegebenem Anlass.

"Gesellschaft braucht Menschen wie ihn"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte einen "Künstler, der sich in jeder Verwandlung treu blieb." Von einem der "ganz Großen der gegenwärtigen Schauspielkunst" sprach Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne), der "mit unnachahmlicher Authentizität alle Facetten der menschlichen Emotionsklaviatur" bespielte. Peter Simonischeks Tod sei ein riesiger Verlust für die gesamte Kunst- und Kulturszene. "Unsere Gesellschaft braucht Menschen wie ihn, die durch ihr unverwechselbares Können berühren und inspirieren und sich nicht davor scheuen sich kritisch am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen."

Und das Burgtheater verliere einen "großartigen Künstler. Mit Peter Simonischek verliert das Burgtheater aber auch einen liebevollen, fürsorglichen Kollegen, einen Freund, einen Herzensmenschen, eine überragende Persönlichkeit. Einen Menschen, der Stellung bezog, der Interesse an den Themen der Zeit hatte und für seine Meinung eintrat."