Eine Frau mit Altkleidern am Flohmarkt

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Panoptikum Flohmarkt

Das Comeback der Trödler und Schnäppchenjäger - ein Lokalaugenschein in Pottendorf.

"Heinzi, how much?", ruft sie ihrem Bruder zu. "Acht Euro", erwidert dieser, zwei Biertische weiter. "Für ein Original?!", seufzt die Standlerin. Aber sie verkauft. Ihre Kundin ist erfreut über die soeben erstandene Prada-Handtasche. "I like this market because of the small prices", sagt sie, eine Ukrainerin, die vor einem Jahr im Bezirk Baden ein neues Zuhause gefunden hat.

Zwei Supermärkte im Ortskern: Das niederösterreichische Pottendorf ist an diesem Aprilwochenende Schauplatz eines zweitägigen Pfarrflohmarkts. Das Geschehen verteilt sich auf einen Pfarrsaal und den angrenzenden Garten; inklusive Buffet mit Kaffee und Kuchen. "Wir sind ziemlich voll", sagt Martin Garcocz etwas gehetzt. Der pensionierte Elektrotechniker, im Pfarrgemeinderat tätig, organisiert den Flohmarkt. Immer wieder läutet sein Handy. Viele würden kurzfristig anfragen, ob sie noch verkaufen könnten. Das Angebot sei in den vergangenen Jahren größer geworden, vor allem an Spielsachen. Die Leute haben immer mehr und würden diesen Besitz zunehmend als Belastung empfinden. Auf Flohmärkten würde der materielle Überfluss sichtbar.

Besitz als Belastung

Während im Pfarrsaal für die Restauration der Pfarre verkauft wird, konnte sich im Garten unter Zelten ein Dutzend private Standler:innen für zehn Euro pro Tisch einmieten. Man könne theoretisch jeden beliebigen Preis verlangen, wolle aber die Leute nicht mit zu teurer Ware vergrämen, erklärt Garcocz.

Ob Flohmärkte ökonomischen Gesetzmäßigkeiten folgen, bleibt an diesem Tag ungeklärt. Niemand legt Preise fest, Vergleiche sind schwierig. "Für mich zählt Sympathie", sagt eine der Standlerinnen. Wenn jemand lächle, Spaß verstehe und nicht wie wild herumkrame, sei sie bereit, mit dem Preis hinunterzugehen. Eine andere Standlerin lockt mit Mengenrabatten. Wieder eine andere hat ihre Kleider und Schuhe mit Preispickerln versehen. Sie möchte nicht verhandeln, da sie schon öfters "heruntergehandelt" wurde.

Geschultes Auge für Wertvolles

Anders sehen es zwei junge Burschen. Sie erzählen stolz, Spielzeugautos für 20 Euro verkauft zu haben, obwohl der Käufer zunächst zehn Euro gefordert hätte. Nicht nur das Feilschen will auf Flohmärkten erlernt werden. Kinder würden lernen, mit Geld umzugehen und sich von Dingen zu trennen, meint die Mutter der beiden Nachwuchsstandler.

Etwas erzürnt zeigt sich Susanne, Angestellte, 68er-Jahrgang, über das Verhalten so mancher, die bereits vor dem offiziellen Beginn lauern. In der Früh gegen acht Uhr, beim Ausräumen des Kofferraums, hätten die Ersten versucht, ihr etwas abzukaufen. Garcocz vermutet hinter solchen Schnäppchenjäger:innen gewerbliche Altwarenhändler:innen, die ein geschultes Auge für besonders wertvolle Dinge hätten und diese so schnell wie möglich aufkaufen würden: Kleinmobiliar, Kameras oder Markengeschirr werden dann um ein Vielfaches online oder auf anderen Flohmärkten weiterverkauft.

Kritik an innerstädtischen Flohmärkten

So divers das Angebot auf Flohmärkten ist, so verschieden sind das Publikum und dessen Kaufkraft. Eine Standlerin übt Kritik an innerstädtischen Flohmärkten, da man dort gut 30 bis 40 Euro für ein Kleidungsstück zahlen müsse, bloß weil Secondhand gerade angesagt sei. Andernorts, wie etwa in Eisenstadt, wo viele ungarische Verkäufer:innen angereist kämen, könne man besonders günstig einkaufen, lässt ein Stammbesucher wissen. Was sich an diesem Samstagvormittag auf dem Flohmarkt in Pottendorf erahnen lässt: Jede Gesellschaftsschicht ist vertreten. Die Teuerung, so scheint es, lässt die Institution Flohmarkt aufleben - und damit auch so manches Dorfleben.

Gestaltung

  • Noel Kriznik