
APA/GEORG HOCHMUTH
Dimensionen
Grundwasser - Schwindendes Elixier
Es speist natürliche Gewässer und Feuchtgebiete, versorgt Landwirtschaft, Industrie sowie produzierendes Gewerbe und ist in vielen Ländern die wichtigste Ressource für die Trinkwassergewinnung: das Grundwasser. Doch ein Drittel der größten Grundwassersysteme weltweit ist bedroht. Denn mit der Bevölkerung der Erde wächst auch ihr Durst - seit 1930 hat sich unser Wasserbedarf versechsfacht.
9. Oktober 2023, 02:00
Ein Trend, der sich in mehrfacher Hinsicht auf unseren Planeten auswirkt. Eine im Juni dieses Jahres erschienene Studie konnte zeigen, dass die Grundwasserentnahmen der vergangenen Jahrzehnte die Neigung der Erdachse und die Lage der geografischen Pole beeinflussen. Obwohl die Lage der Erdrotationsachse relativ konstant ist, können Änderungen auftreten, wenn es zu Verschiebungen von Masse in oder auf der Erdkugel kommt. Durch das Hochpumpen von Grundwasser -die größten Mengen für Bewässerungsmaßnahmen im Nordwesten Indiens und im Westen von Nordamerika -wurde so viel Masse in die Ozeane verschoben, dass der Meeresspiegel zwischen 1993 und 2010 über 6 mm angestiegen ist. Parallel dazu messen die Forscher und Forscherinnen eine Verschiebung des Nordpols um beinahe einen Meter.
Die menschengemachte Klimakrise und regionale Wetterphänomene tragen zusätzlich zu Rückgängen der Grundwasserstände bei. Gesellt sich dazu noch eine veraltete Infrastruktur, kann eine Trinkwasserkrise die Folge sein, wie sie Uruguay gerade erlebt. In dem Land, das erst 2004 das "Recht auf sauberes Trinkwasser" in seiner Verfassung verankert hat, fließt nach drei trockenen Jahren heute salziges und stark chlorhaltiges Wasser aus den Leitungen. Der Stausee Paso Severino, der normalerweise 1,4 Millionen Einwohner der Metropolregion Montevideo mit Trinkwasser versorgt, ist ausgetrocknet. In der Folge sah sich der größte Wasserversorger des Landes gezwungen, dem Trinkwasser Brackwasser aus der Mündung des Río de la Plata beizumengen. Obwohl Experten seit Jahren vor einer drohenden Trinkwasserknappheit gewarnt hatten, wurden dringend notwendige Modernisierungen der Wasserinfrastruktur vernachlässigt. Auch die Landwirtschaft, die weltweit im Durchschnitt 70% des Wasserverbrauchs verantwortet, gerät in Kritik. Vor allem Reis- und Sojabauern würden laut Umweltorganisationen Unmengen an Wasser verbrauchen, ohne dafür einen Peso zahlen zu müssen. Geld, das für die Erneuerung der Infrastruktur dringend benötigt werden würde.
Europa erlebte im Sommer 2022 die schlimmste Dürre in 500 Jahren. Beinahe zwei Drittel aller Europäer und Europäerinnen sehen die Wasserverfügbarkeit in ihren Heimatländern als ernsthaftes Problem an. Auf EU-Ebene ist man sich der Brisanz von Wasserknappheit und Armut bewusst und etliche Stimmen fordern einen "Blue Deal", um Situationen wie in Uruguay zu vermeiden. Hierzulande wird die Ressource Grundwasser von den meisten noch als selbstverständlich erachtet. Doch auch in Österreich hat das vergangene Jahr deutlich gezeigt, dass eine Serie von Niederschlagsdefiziten zu niedrigen Grundwasserständen und angespannten Nutzungsverhältnissen führen kann. In einer aktuellen Studie der Interessenvertretung der österreichischen Trinkwasserversorger deuten Prognosen bis in das Jahr 2050 auf eine weitere Zunahme der Trockenjahre und auch der Nutzungskonflikte hin. Den Studienautoren zufolge ist die weitere Anpassung der Trinkwasserversorgungssysteme an den unaufhaltsamen Klimawandel auch in Österreich das Gebot der Stunde.
Text: Renate Degen