Ferdinand von Schirach

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Monolog eines Melancholikers

Ferdinand von Schirach: "Regen"

Ferdinand von Schirachs Theaterstücke "Terror" und "Gott" werden im deutschsprachigen Raum rauf und runter gespielt und kommen sogar in Japan zur Aufführung. Nun ist Ferdinand von Schirach noch einen Schritt weiter gegangen und hat sich selbst auf die Bühne geschrieben. Der Titel seines Theatermonologs lautet schlicht "Regen".

Der Mann bezeichnet sich als Schriftsteller, obwohl er nur ein einziges Buch veröffentlicht hat, einen gerade einmal 23 Seiten starken Gedichtband, und das ist 17 Jahre her. Gerade quälen ihn aber andere Sorgen, denn er wurde als Schöffe in einen Prozess berufen. Ein Ehemann hat im Affekt seine Frau erstochen.

Gerade ist der erste Prozesstag zu Ende gegangen, der Schöffe wider Willen ist in einen Regenschauer geraten und sitzt jetzt durchnässt in einer Bar und denkt über Menschliches und Allzumenschliches nach.

Die dunkle Frage nach der Liebe

Die Leute fliegen sogar bis in die Karibik. Warum? Wegen der kilometerlangen, weißen Sandstrände, sagen sie. Aber diese Leute wissen nicht, dass sie dort auf dem Kot von Fischen liegen.

Von den bisher erschienen Erzählbänden von Schirachs - "Verbrechen" etwa oder "Kaffee & Zigaretten" zum Bühnenmonolog "Regen" fällt ein Wechsel im Tonfall auf, denn Melancholie und Ernsthaftigkeit werden hier klar gebrochen. "Auf der einen Seite ist es so geschrieben, dass es auch lustig ist, auf der anderen Seite ist dieses Stück schon melancholisch, weil es eine merkwürdige, dunkle Frage nach der Liebe enthält", so Ferdinand von Schirach

Begegnung auf der Dachterrasse

Um eine verlorene Liebe geht es da konkret. Wer die Frau genau ist, erfährt man jedoch nicht, nur dass ihr der Ich-Erzähler einst mitten in der Nacht auf der Dachterrasse des Athener Luxushotels Grande Bretagne begegnet ist.

Ich werde darüber schreiben, dass wir voneinander wussten und dass es in diesem Leben nur darum geht und um nichts anderes. Ich werde schreiben, dass sie sagte, wir gehen nach Hause und dass sie damit Recht hatte, weil alles Finden Wiederfinden ist.

Achtzig Prozent der Bücher sind Mist

Von den quälenden Erinnerungen rettet sich der Ich-Erzähler gerne ins Nörgeln. Objekt seines Ärgers ist nicht nur über das Urlaubsverhalten der Menschen, sondern auch das Rauchverbot in Lokalen, und er lobt die Kunst des Wegsehens, denn 80 Prozent von allem, sagt er, seien Mist.

Achtzig Prozent der Bücher taugen ja nichts. Sie sind Mist. Sie müssen also erst sehr viele schlechte Bücher gelesen haben, um das eine gute Buch überhaupt zu finden.

"Ein Gerichtsverfahren ist wie ein Theaterstück angelegt", Ferdinand von Schirach

Buchcover

LUCHTERHAND VERLAG

"Die Fragen, die sich diese Figur stellt, sind auch meine Fragen und teilweise sind die Antworten auch ähnlich, aber das ist ein Theaterstück und ich kann, wer ich bin, nicht eins zu eins auf die Bühne übersetzen. Das wäre ja auch furchtbar langweilig", so Ferdinand von Schirach.

Der Strafverteidiger als Schauspieler

Bevor Ferdinand von Schirach mit 45 seinen ersten Erzählband veröffentlichte, war er als Rechtsanwalt erfolgreich, auch eine Art von Bühnenerfahrung, wenn man einen Prozess als eine Aufführung und das Plädoyer als Theatermonolog betrachtet.

"Ein Gerichtsverfahren", so Ferdinand von Schirach, "ist auch ein wenig wie ein Theaterstück angelegt. Warum? Weil man die Richter von etwas zu überzeugen versucht."

Gedruckt ist "Regen" nur fünfzig Seiten stark, als Draufgabe gibt es in der Buchausgabe ein ausführliches Interview mit Ferdinand von Schirach. Auf Tournee geht er mit seinem Stück im Herbst: Am 10. Oktober ist Premiere in der Berliner Philharmonie und am 22. November wird er dann im Wiener Konzerthaus zu erleben sein.

Service

Ferdinand von Schirach, "Regen - Eine Liebeserklärung", Theatermonolog, Luchterhand

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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