Burger

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Aufregung um den Nehammer-Burger

Junkfood für den Wahlkampf

Ein Video-Mitschnitt von einer Veranstaltung unter Parteifreunden geht viral. Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP sagt, wer wenig Geld habe, könne seinen Kindern ja einen Hamburger kaufen, das sei immerhin eine warme Mahlzeit. Das Video erscheint kurz nach der neuen Herbstkampagne der ÖVP und stellt diese in den Schatten. Satire-Memes in den sozialen Netzwerken erreichen blitzschnell ein Millionenpublikum. Auch die Opposition schießt medial einen Elfmeter. Ein Burger, der gekommen ist, um zu bleiben.

In den sozialen Medien wird seit Tagen das Kanzlermenü serviert: Influencer und Humoristen aller Art fahren zu McDonalds und bestellen ein Kanzlermenü. Der Witz daran: die Verkäufer wissen sofort, was gemeint ist. Ein Burger mit Pommes, wie Bundeskanzler Karl Nehammer gesagt hat. Die Hashtags #Kanzlermenü und #McNehammer finden ein Millionenpublikum auf TikTok, Instagram, Facebook und X, vormals Twitter. Ausgelöst hat es ein Video, das im Netz gelandet ist - es ein Mitschnitt von einem launigen Treffen unter Parteifreunden, wo Bundeskanzler Karl Nehammer Folgendes sagt: "Was heißt ein Kind kriegt keine warme Mahlzeit in Österreich? Wisst's was die billigste Mahlzeit ist? Sie is ned g'sund, aber sie is billig. A Hamburger bei McDonalds."

Kanzlermenü schlägt Figl-Kampagne

Im Netz gelandet ist das Video genau nach dem Start der Herbstkampagne der ÖVP, mit dem Slogan: "Glaubt an dieses Österreich!" Nehammer hofft hier, vom staatsmännischen Glanz des Nachkriegskanzlers Leopold Figl zu profitieren, und will Zuversicht in schweren Zeiten verbreiten. Aber davon bleibt im Netz wenig hängen. Dafür umso mehr vom Burger, wie der Social Media Marktforscher Markus Zimmer und Geschäftsführer von Buzz Value beobachtet. Das Match gewinne "eindeutig der Mecki", sagt Zimmer.

"Der gut gemeinte Bezug auf den Herrn Figl wird wahrscheinlich in Vergessenheit geraten sein. Schon jetzt." Die Zahlen würden das ganz klar zeigen: Allein der Hashtag #Kanzlermenü auf TikTok habe innerhalb weniger Stunden über 1 Million User erreicht. Auch der sehr klassische Hashtag #Nehammer sei explodiert und erreiche mittlerweile 35 Millionen Views. Von den Top 100 Meldungen aus der Politik in den letzten Tagen beschäftigten sich mehr als ein Viertel mit dem Video, sagt Zimmer.

"Der größte Kasperl, der bist du"

Der Influencer "Satansbratan" auf Tiktok zum Beispiel erreicht über 900.000 Menschen. Er richtet dem Kanzler unverblümt aus: "Weißt, wer größte Kasperl ist in Österreich: Du! Aber nicht jeder in Österreich und nicht alle Menschen kriegen alles in Arsch geschoben." Er damit scheint einen Nerv zu treffen. Und bald berichten alle Medien darüber, damit kommt das Thema in der gesamten Bevölkerung an.

Aufgelegter Elfmeter für die Opposition

Natürlich entdeckt auch die Opposition das Potenzial: Prompt zeigt sich SPÖ-Chef Andreas Babler im Netz, in Traiskirchen warmes Essen für Kinder kochend. Seine Botschaft auf Facebook ist ein Selbstläufer: "Ganz ehrlich, das hat sich auch Österreich nicht verdient. Wir waren immer dann stark, wenn wir zusammengehalten haben und nicht, wenn sich ein Bundeskanzler für etwas Besseres hält." Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl nimmt den Ball auf. Nehammer sei empathielos und abgehoben, sagt Kickl und stellt sich plakativ auf die Seite der Armen: "Ich bin selber aus einer Arbeiterfamilie und deswegen weiß ich nur zu gut, was das für Familien bedeutet." Mit Emotionen werden Klicks gemacht. Auch das weiß Kickl nur zu gut. Und er profitiert davon auch am meisten, weil er im Netz die größte Reichweite hat.

Der Burger wird Top-Thema bleiben

Nehammers Video wird deshalb auch nicht schnell vergessen sein, sondern im kommenden Wahlkampf eine Rolle spielen, glaubt die Politologin Katrin Praprotnik von der Universität Graz: "Er hat einen Elfmeter aufgelegt, und diesmal ist es der Opposition besser gelungen als bei früheren Gelegenheiten, den auch zu verwandeln." Das Video sei ein griffiges Symbolbild für das Thema dieser Zeit: die Teuerung. "Wir sehen in allen Umfragen, das ist das Topthema bei den Menschen, wenn es dann auch am Wahltag um eine Wahlentscheidung geht", so Praprotnik. Vom McNehammer werde Österreich also vermutlich noch öfter hören.

Perfekter Happen für den Wahlkampf

Das glaubt auch der Social Media Marktforscher Markus Zimmer, denn der Burger eigne sich wunderbar als Meme, also als kurze Satire in Wort und Bild: "Das sind genau diese kurzen Videos, kurze und knappe Häppchen, die in den sozialen Medien gut funktionieren, die sich auch wirklich gut verbreiten. Je näher die Nationalratswahl kommt, werden natürlich die politischen Gegner immer wieder dieses Thema aufgreifen und auch immer wieder natürlich dieses Video zitieren. Infolgedessen denke ich, wird uns das auf jeden Fall noch länger begleiten."

Und wer profitiert vom McNehammer?

Nehammer wurde im Netz schon wegen seines Sagers verspottet: "Wenn wir jetzt so weitermachen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen nachher: Alkohol oder Psychopharmaka", hat der ÖVP-Obmann auf einem Landesparteitag gesagt. Anders als damals zeigt sich Nehammer diesmal aber nicht einsichtig, er stehe zu seiner Aussage, sagt er in einem zweiten Video. Eine Botschaft, die er freilich an die eigene Kernwählerschaft richtet. Bleibt die Frage, wer mit dem Video mehr mobilisieren kann: die ÖVP oder die Opposition. Mit Junkfood im Wahlkampf ist also zu rechnen.

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