Kaija Saariaho

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Neue Musik auf der Couch

Kaija Saariaho: "Terra Memoria"

Weite Strecken der Komposition "Terra Memoria" von Kaija Saariaho sind geprägt von übereinander gelagerten Loop-Einheiten.

"Das Stück ist jenen gewidmet, die von uns gegangen sind. Einige Gedanken dazu: Wir erinnern uns immer weiter an jene Menschen, die nicht mehr mit uns sind; das Material - also deren Leben - ist abgeschlossen, nichts wird mehr hinzugefügt. Jene von uns aber, die hinterblieben sind, werden beständig an unsere gemeinsamen Erfahrungen erinnert: Unsere Gefühle über unterschiedliche Aspekte von deren Persönlichkeit verändern sich, bestimmte Erinnerungen verfolgen uns in unseren Träumen. Sogar nach vielen Jahren verändern sich manche dieser Erinnerungen, andere bleiben wie klare Augenblicke, die wir wieder erleben können."

Mit diesen Worten beschreibt Kaija Saariaho ihre Gedanken zu ihrem zweiten Streichquartett. Weite Strecken dieser Komposition, vor allem der erste und letzte Abschnitt dieses vierteiligen Werkes, sind geprägt von übereinander gelagerten Loop-Einheiten. Aufgrund der unterschiedlichen Dauer der einzelnen Einheiten kommt es konstant zu Verschiebungen. Konstitutiv für die Klanglichkeit dieser Loop-Passagen sind u.a. der Halbtonschritt, oft in Verbindung mit seufzerartigen Figuren, Glissandi, in sich kreisende Melodik sowie eine spezielle Trillertechnik, die aus dem raschen Wechsel von fest gegriffenen Tönen und Flageolett-Tönen besteht, wodurch ein irisierendes Aufflimmern zu hören ist.

Quer durch das Werk sind deutliche Spuren der Tradition zu hören; Spuren, die allerdings überwuchert erscheinen. Solche Spuren können einzelne tonale Akkordreste sein (wie der halbverminderte Eröffnungsseptakkord), aber auch größere Modelle wie der zeitlupenartige Passus Duriusculus zu Beginn im Violoncello. Auch die dreiteilige Liedform kann als eine solche Spur betrachtet werden.

Das beständige Sich-Drehen der Loops verweist auf das kontinuierliche Erinnern, vielleicht sogar auf das Kreisen der Gedanken um ein und denselben verstorbenen Menschen. Auch das immer wieder Neu-Ansetzen und Neu-Verklanglichen von ähnlichen Strukturen erinnert an den Vorgang des Immer-Wieder-Erinnerns.

Den Titel des Werkes, "Terra Memoria" erklärt Kaija Saariaho folgendermaßen: "Der Titel 'Terra Memoria' verweist auf zwei Wörter, die voll von reichen Assoziationen sind: auf Erde und auf Gedächtnis. Hier bezieht sich Erde auf mein Material, und Gedächtnis auf die Art und Weise, wie ich damit arbeite."

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