AFP/FREDERICK FLORIN
Moment am Sonntag
Von der nicht immer großen Freiheit, mehrere Sprachen zu sprechen (2)
Mehr und weniger erfolgreiche Versuche, Sprachen zu stärken
Viele Menschen in Österreich sprechen zwei, drei oder mehr Sprachen – im Beruf, in der Familie, unter Freunden. „Es ist eine ganz normale Sache für mich“, sagt der achtjährige Henryk in perfektem Deutsch. Mit seiner Mutter spricht er Polnisch, mit seinem Vater Rumänisch, mit der Schwester beides. Er hat bulgarische Freunde, versteht Italienisch, Französisch gefällt ihm auch. Kinder genießen es meist, mehrere Sprachen zu sprechen; Erwachsene nicht immer. Sie wollen sich „zugehörig“ fühlen und keine Fehler machen – vor allem in der Sprache des Landes, in dem sie leben. Wie ist es, zwei-, drei- oder mehrsprachig zu sein?
16. Februar 2024, 16:13
Zielgruppe
Aus- & Fortbidlung | Hochschul-Lehrende (z.B. im Wahlpflichtmodul „Mehrsprachigkeit“) und Studierende in der Ausbildung; Pädagog*innenbildung (Hochschulen)
Unterrichtsfächer
Erwachsenenbildung | Interkulturelle Kompetenz und Professionalität | Wahlpflichtmodul „Mehrsprachigkeit“ in Masterstudien
Stichworte
Mehrsprachigkeit | Spracherwerb | Vielfalt als Bereicherung | voXmi
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Von der nicht immer großen Freiheit, mehrere Sprachen zu sprechen
Moment am Sonntag | 26.10.2022
Wie kommt man mehrsprachig durch den Alltag? Wie ist es, zwei-, drei- oder mehrsprachig zu sein?
Gestaltung: Andrea Hauer
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QUIZ ZUR SENDUNG
Das Quiz kann nach dem Anhören der Sendung gelöst werden.
MEHR ERFAHREN
Links
Mit mehreren Sprachen aufwachsen - Handreichungen für Eltern und Pädagog*innen (PDF)
Schule mehrsprachig - Praxismaterialien, Info & Service
Linguamulti - Beratung und Workshops
voXmi - Mehrsprachigkeit in Österreich
Natürlich ist Mehrsprachigkeit toll! Aber was hat das mit meinem Unterricht zu tun? - Manuskript
FH-Campus Wien - Der vielsprachige Kindergarten ist ein Gewinn
Abendgymansium - Warum Mehrsprachigkeit ein Gewinn ist (16. Nov 2023)
Videos
Youtube - Sprache – Schlüssel zur Welt: Mehrsprachigkeit in Europa (9:14)
Youtube - BildungsTV: „Was brauchen Kinder für den Spracherwerb?“ (1:04:48)
Youtube - BildungsTV: "Wie viele Sprachen passen in einen Kopf bzw. in eine Schule?" (53:15)
ORF TVthek - Mehrsprachigkeit als Gewinn (09:55)
UNTERRICHTSIDEEN UND AKTIVITÄTEN
Lernziele
Die Studierenden können
- sich mit Aspekten des (eigenen) Spracherwerbs und der eigenen Sprachhistorie auseinandersetzen
- sich mit der eigenen Mehrsprachigkeit und der anderer Menschen auseinandersetzen
- sich mit den eigenen kulturellen Identitätsvorstellungen auseinandersetzen
- in Gruppenarbeit ein Video nach bestimmten Vorgaben erstellen
- ein kollaboratives Schreibtool verwenden
- sich über eine Pinnwand austauschen
Diese Unterrichtsidee ist Teil des Kooperationsprojekts „voXmi und Ö1 machen Schule“. voXmi (voneinander & miteinander Sprachen lernen und erleben) ist ein österreichweites Bildungsnetzwerk. Ziel ist es, an allen Schulen und Institutionen elementarer Bildung die vielen Sprachen, die junge Menschen, deren Eltern und Lehrpersonen mitbringen, inklusiv in den Unterricht und darüber hinaus einzubinden.
Ausgehend von Aussagen aus der Ö1 Sendung, dass Kinder schneller eine neue Sprache lernen als Erwachsene, dass Mehrsprachigkeit für Kinder „natürlicher“ sei als für Erwachsene – dass aber, wer das Schreiben als Kunst betreibe, sich höchstwahrscheinlich für eine Sprache entscheiden müsse, wurde Elias Canetti als Ausgangspunkt und „Bindeglied“ für die folgenden Unterrichtseinheiten gewählt:
Canettis Erstsprache ist Ladino ( „Judenspanisch“), im Alter von 6 Jahren erfolgt der Umzug von Bulgarien nach England, wo er Englisch und Französisch lernt. Nach dem Tod des Vaters zieht die Familie nach Wien: Elias Canetti lernt als 8-Jähriger – mit einer völlig unpassenden Lernmethode – Deutsch von seiner Mutter. Als Sprache für sein schriftstellerisches Werk entscheidet er sich (dennoch) für Deutsch („Das Schicksal des Deutschen ist meines.“) 1981 erhält er den Nobelpreis für Literatur.
Die erste Unterrichtseinheit widmet sich dem Thema „Sprachenerwerb / Sprachen (er)lernen“: Ausgehend von der ungewöhnlichen Lernmethode, mit der Canetti Deutsch lernen sollte, beschäftigen die Studierenden sich mit den Faktoren, die das Erlernen einer Sprache fördern oder behindern – und tauschen sich darüber via ZUMPAD aus.
In der zweiten Unterrichtseinheit lernen die Studierenden Canettis Erstsprache – Ladino – kennen und erhalten in einem Padlet Links zur Auswahl einer Sprache. Die von den Gruppen gewählten Sprachen werden danach in einem selbsterstellten Video präsentiert. Die Aspekte/Merkmale, die bei der Präsentation der Sprachen vorkommen müssen, werden im Padlet festgehalten – auch die fertigen Videos werden auf die gemeinsame Pinnwand gestellt.
DURCHFÜHRUNG
1. Sendung anhören und Quizfragen beantworten
Die Studierenden haben neben Präsenzeinheiten ein bestimmtes Maß an „Selbststudium“ – daher werden regelmäßig Inhalte vor der Präsenzveranstaltung zur Verfügung gestellt (Flipped Classroom Methode).
Die Studierenden erhalten den Link zur Sendung, hören sich diese an und beantworten die Quizfragen auf LearningApps vor der folgenden Präsenzeinheit.
Dauer: ca. 45 Minuten
2. Einstieg: Sendungsinhalte reflektieren im Plenum
Die Studierenden teilen zu Beginn ihre Gedanken zur Sendung mit. Haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Welche Inhalte/Informationen waren neu für sie?
Dauer: ca. 10 Minuten
3. Vorstellung einer Lernmethode zum Erlernen einer Sprache
Die Studierenden hören Elias Canettis Schilderung „Deutsch am Genfersee“ und machen sich Notizen zu dieser „Lernmethode“.
Dauer: ca. 13 Minuten
4. Selbsttest der Methode
Die Studierenden bekommen jeweils einen Satz in einer Fremdsprache vorgesagt, den sie laut wiederholen, um die Aussprache zu üben – dann hören sie die Bedeutung des Satzes genau einmal.
Nach 5 Sätzen wird, um Canettis „am nächsten Tag“/einen zeitlichen Abstand zu simulieren, die danach folgende Aufgabe mit dem ZUMPAD erklärt. Bevor die Studierenden zu schreiben beginnen, werden die 5 Sätze „abgeprüft“ und damit die „Lernmethode“ getestet.
Statt Französisch kann natürlich jede andere Fremdsprache verwendet werden.
Je te trouve très jolie. .....................1x: Ich finde dich sehr hübsch.
Tu me manque. ................................1x: Du fehlst mir.
Il est fatigue. ....................................1x: Er ist müde.
Je dois trouver un travail. ...............1x: Ich muss eine Arbeit finden.
Il y a beaucoup de gens. ..................1x: Es gibt viele Menschen.
Dauer: ca. 7 Minuten
5. Austausch: Kollaboratives Schreiben im ZUMPAD
Nach dieser Erfahrung tauschen sich die Studierenden im Anschluss in einem ZUMPAD zu folgenden Punkten aus:
1. Faktoren, die das Erlernen einer Sprache ihrer Meinung nach unterstützen/fördern
2. Faktoren, die das Erlernen einer Sprache ihrer Meinung nach behindern
3. Tipps fürs Sprachenlernen
Die Ergebnisse werden abschließend kurz zusammengefasst.
Dauer: ca. 15 Minuten
6. Einstieg: Recherche – Canettis Erstsprache
Die Studierenden recherchieren zu Beginn der Einheit Canettis Erstsprache, Ladino, und stellen die gesammelten Informationen zu dieser Sprache (Sprachfamilie, Verbreitung, Buchstabensystem, …) auf ein Padlet. Zwei hilfreiche Links/Artikel zu dieser Sprache finden sie bereits auf dem Padlet, je eine Hälfte der Studierenden liest einen Artikel.
Die wichtigsten Eckdaten werden kurz zusammengefasst und besprochen.
Dauer: ca. 20 Minuten
7. Gruppenbildung und Sprachenwahl
Je nach Größe der Gruppe und zeitlichem Abstand zur nächsten Präsenzeinheit bilden die Studierenden 2er oder 3er Teams, die sich in den kommenden Wochen intensiv mit einer Sprache auseinandersetzen und ein Sprachenvideo gestalten werden.
Zur Hilfe bei der Auswahl finden die Studierenden wieder Links auf dem Padlet, u.a. „Der kleine Prinz in hundert Sprachen“ oder „Ethnologue“.
Aus welchen Motiven sich die Studierenden für eine Sprache entscheiden – ob z.B. ein Gruppenmitglied diese Sprache spricht, es einen anderen Bezug zu dieser Sprache gibt oder ob eine völlig unbekannte Sprache gewählt wird –, bleibt der Gruppe überlassen. Ebenso sind weder Varietäten (z.B. Wienerisch) noch fiktionale Sprachen (z.B. Tolkiens Elbisch) ausgeschlossen.
Die Gruppen, ihre Mitglieder und die jeweils gewählte Sprache werden auf dem Padlet festgehalten.
Dauer: ca. 10 - 15 Minuten
8. Festlegung der Kriterien
Damit neben der kreativen Gestaltung der Videos der Informationsgehalt nicht zu kurz kommt, werden gemeinsam Kriterien festgelegt und diese auf dem Gruppen-Padlet dokumentiert:
Folgende Informationen müssen z.B. enthalten sein: Eigenbezeichnung der Sprache, Zahl der Sprecher*innen, Verteilung auf der Landkarte und die Zugehörigkeit zu einer Sprachfamilie. Besonderheiten der Sprache (Schriftsystem, Betonung, Grammatik, …) sollen vorgestellt werden und danach eine Sprachprobe folgen. Das kann ein Kurz-Interview mit jemandem sein, der die Sprache spricht, ein Lied, ein Gedicht, ein Auszug aus einem bekannten Werk.
Das Video soll ca. 5 Minuten dauern, kann gerne professionell gestaltet sein oder einfach mit der Handykamera aufgenommen werden.
Dauer: ca. 10 - 15 Minuten
9. Abschluss
Das Hochladen der einzelnen Sprachvideos auf das Gruppen-Padlet hat den Vorteil, dass alle Studierenden sich die Videos ansehen und auch kommentieren können.
Idealerweise folgt noch eine Präsenzeinheit, in der auf die erstellten Beiträge und die vorgestellten Sprachen eingegangen werden kann und die Studierenden diesbezüglich ausführlich zu Wort kommen.
Weiterführende Vorschläge
Hier finden Sie 3 abwechslungsreiche Vorschläge (PDF) für weitere Unterrichtseinheiten mit allen Materialien und Links zu folgenden Themen:
1. „Gemeinsam eine Sprache lernen“: Lehrausgang bzw. Onlinekurs
2. „Mehrsprachigkeit in der Schule versus Pausensprache Deutsch“: Fishbowl-Diskussion / Rollenkarten - Perspektivenwechsel
3. „Meine Mehrsprachigkeit – meine Erfahrungen“: Interview; als Einstieg wird am Beispiel des bekannten Fußballspielers Marko Arnautovic der öffentliche Umgang mit seinen Deutschkenntnissen und seine Mehrsprachigkeit besprochen
MATERIALIEN
Canetti:
Österreichische Mediathek - Deutsch am Genfer See
Ladino:
Uni-Nova - Judenspanisch, eine fast vergessene Sprache
babbel.com - Ladino
Zur Sprachenauswahl:
Der kleine Prinz in hundert Sprachen
Ethnologue - Informationen und Statistiken zu allen bekannten lebenden Sprachen der Welt
WALS Online - Weltatlas der Sprachstrukturen
Tools:
ZUMPAD oder Edupad
Padlet
Weiterführende Vorschläge (PDF)
- zurück zu Ö1 macht Schule – Übersicht
Ö1 macht Schule ist ein Gemeinschaftsprojekt von Ö1, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung - BMBWF und Pädagogischer Hochschule Wien - PH Wien
Diese Unterrichtsidee entstand im Rahmen des Projekts "voXmi & Ö1 machen (Hoch-)Schule" zum voXmi Jahresschwerpunkt 2023: „Mitsprache mit Sprache“. Lehrende des voXmi-Bildungsnetzwerkes haben ausgewählte Sendungen dieses Schwerpunktes für den Einsatz im Unterricht didaktisiert.
Beatrix Putz-Mayerhofer
unterrichtet seit vielen Jahren Deutsch und Englisch an einer Wiener HTL. Sie ist planende Mitverwendete am I:SBB der PH Wien und dort für die Bereiche Sprachen und sprachbewusster Fachunterricht zuständig. Als Referentin ist sie neben Lehrveranstaltungen zur Fachdidaktik Deutsch/Englisch u.a. im DaZ-Lehrgang tätig. Mit voXmi verbindet sie das Motto „Mehrsprachigkeit ist ein Gewinn!“
Dieses Lernmaterial wurde vom „Ö1 macht Schule“ Team erstellt und steht unter einer CC BY-SA 4.0 Lizenz kostenlos zur Verfügung.