Ella Baker und Ruby Dee (rechts)

AP/JACK HARRIS

Hörbild

Die Bürgerrechtsaktivistin Ella Baker

"Starke Menschen brauchen keine starken Führer." Ella Baker und ihre Relevanz heute - ein "Hörbild" anlässlich des Internationalen Frauentags.

"Man hat mich nicht im Fernsehen gesehen, man hat keine Nachrichten über mich gehört. Die Rolle, die ich zu spielen versuchte, bestand darin, Einzelteile einzusammeln oder zusammenzufügen, von denen ich hoffte, dass daraus Organisationen entstehen würden" - Ella Baker im Interview mit "The Feminist Press" (1980).

Ohne Ella Baker hätte es Martin Luther Kings Bewegung nicht gegeben

Eine radikale Revolutionärin, die elegante Hüte trug und sich kleidete, als ginge sie in die Kirche. Die versuchte, durch ihr Beispiel aufzuzeigen, wie man führt, effektiv organisiert und dabei seine Rolle selbst bestimmt. Ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Im Gegenteil. Die amerikanische Lehrerin, Journalistin und Bürgerrechtlerin Ella Baker (1903 bis 1986) trotzte allen Stereotypen: Als Mitbegründerin der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) stand Baker im Schatten Martin Luther Kings; allerdings, wie Cornel West, einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen in den USA, feststellt, "ohne Ella Baker hätte es Martin Luther Kings Bewegung nicht gegeben. Sie war das Rückgrat der Bürgerbewegung." Baker glaubte an die Stärke und Entschlossenheit ganz normaler Menschen und an die Kraft der Organisationen, die sie gemeinsam aufbauen können. "Eine Macht, die größer ist als jede einzelne Person, egal, wie charismatisch oder engagiert."

Visionärin und Mentorin des SNCC

Für Baker stand früh fest, Bürgerrechte ohne die Frage sozialer Gerechtigkeit als allgemeines Menschenrecht zu thematisieren, greift zu kurz. Mit dieser Ansicht kollidierte Baker zusehends mit den Männern der maskulin dominierten traditionellen Bürgerrechtsorganisationen. Nicht zuletzt deswegen setzte sie ihre Hoffnungen mehr und mehr auf eine junge afroamerikanische Generation, die sich an die Lunch Counters der segregierten Diners im Süden setzte und ihr individuelles Recht einforderte, jederzeit und überall essen zu können.

Als politische Visionärin verstand Baker, dass diese Jugend die Speerspitze der neuen Freiheitsbewegung sein könnte. Innerhalb von drei Monaten nach dem ersten Sit-in unterstützte Baker die Gründung des Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC), in dem sich sowohl schwarze wie - später im Freedom Summer 1964 - weiße Studierende engagierten. Sie wusste, die Jungen waren mutiger als ihre Generation. Obwohl ohne offizielle Position im SNCC, war Bakers Rolle die einer politischen, intellektuellen und politischen Mentorin.

Bis heute ist die Rolle des SNCC im Kampf um die Bürgerrechte unterschätzt

Für die jungen Frauen in der Organisation war sie Role Model und Förderin zugleich. Bis heute ist die Rolle des SNCC im Kampf um die Bürgerrechte komplett unterschätzt. Die Organisation baute, ganz im Sinne Bakers, auf bereits vorhandenen Strukturen in den Südstaaten auf, um sie mit Menschen vor Ort weiterzuentwickeln. Ohne charismatische Führer bzw. Führerinnen. Der Mut der jungen Bürgerrechtler: innen ermutigte Afroamerikaner:innen in den Südstaaten, sich für Wahlen zu registrieren, eigene demokratische Parteien zu gründen und sich zur Wahl zu stellen.

Praxis einer horizontalen Demokratie

Patrisse Cullors, eine der Mitbegründerinnen von Black Lives Matter, erklärt: "Wir sind keine führerlose, sondern eine führerreiche Organisation. Ganz im Sinne Ella Bakers. Heute gibt es enge Verbindungen und einen regen Austausch zwischen den jüngeren Aktivisten und den Veteranen von SNCC." Aber Ella Bakers politische und soziale Bedeutung geht über die Kämpfe der Bürgerrechtsbewegung hinaus. Ihre Praxis einer horizontalen Demokratie, bei der es darum geht, Menschen zu befähigen, sich nachhaltig zu organisieren und in diesem Prozess eine Stärke zu entwickeln, aus der heraus sich gemeinsam etwas verändern lässt, scheint heute wichtiger denn je.

Gestaltung

  • Martina Groß