Alfred Kubin

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Tonspuren

Kubins okkulter Kosmos

Der Grafiker, Schriftsteller und Illustrator Alfred Kubin

Als Visionär, daheim in der Geisterwelt, mit Dämonen vertraut, sehen ihn seine Zeitgenoss:innen. In keiner Interpretation fehlt der Hinweis auf die Magie seines Werks. Alfred Kubin, geboren 1877 in Litoměřice (Leitmeritz), wird schon früh "der österreichische Goya" genannt. Nur kurz ist sein Ausflug in die Farbigkeit, zumeist drückt er seine finsteren Visionen in Tusche aus, Wüsteneien der menschlichen Existenz, von allerlei ekligen Wesen bevölkert.

Kubins "Erlebnishumus" ist seine triste Kindheit. Die Mutter stirbt früh, der strenge Vater hat kaum Verständnis. Kubin versagt in der Schule, die Fotografenlehre schließt er nicht ab. Verzweifelt über seine Misserfolge will er sich am Grab der Mutter erschießen. Die Waffe versagt. Er nimmt es als Zeichen. Depressionen und Angstzustände bleiben ihm zeitlebens.

Syphilis und Morphium

In München beginnt er eine Ausbildung zum akademischen Maler und wird Mitbegründer der expressionistischen Künstlervereinigung Blauer Reiter, geht aber bald einen eigenständigen Weg. Der Kunsthändler Wolfgang Gurlitt erkennt früh sein Talent. In der Nazi-Zeit, als ein Teil von Kubins Werken als entartet eingestuft wird, unterstützt er ihn mit Aufträgen. Nach der Heirat mit der wohlhabenden Witwe Hedwig Gründler verlässt Kubin die Münchner Kunstszene und zieht auf den Freisitz Zwickledt im Innviertel. Hedwig widmet ihr Leben ganz dem hypochondrischen und chronisch untreuen Künstler. Sie wurde von ihrem ersten Mann mit der damals nicht heilbaren Syphilis angesteckt - infiziert damit auch Kubin - und in der Folge morphiumsüchtig.

Während einer Schaffenskrise beginnt Kubin "eine abenteuerliche Geschichte" niederzuschreiben. In zwölf Wochen entsteht sein fantastischer Roman "Die andere Seite", über ein Traumreich, in dem die Sonne niemals scheint und Uhren verbannt sind. 1908 erscheint das Buch und wird ein großer Erfolg. Einen "Mondmensch in der bourgeoisen Literatur" nennt ihn Stefan Zweig, und Ernst Jünger vergleicht ihn mit E. T. A. Hoffmann. Kubin selbst erkennt später verwandte Züge mit Franz Kafka.

"Magische" Anekdoten

Obwohl Kubin sich selbst nicht als Schriftsteller versteht, spielt das Schreiben eine wichtige Rolle. Nicht nur die tägliche Korrespondenz - seine einzige Kommunikationsform, ein Telefon besitzt er nicht – er verfasst auch die Autobiografie Aus meinem Leben und Erzählungen. Seine Texte sind nicht weniger skurril als seine Zeichnungen, geradezu haarsträubend, wenn er etwa beschreibt, wie er den Affen Giovanni erschlägt oder mit dem gerade verstorbenen Säugling seiner Zimmervermieter Scherze treibt.

1948 stirbt Hedwig. Jahre vorher hat eine Frau, die mehr war als eine Affäre, das Ehepaar beinahe entzweit, die junge Künstlerin Emmy Haesele. Doch Kubin entscheidet sich schließlich gegen sie, nicht zuletzt, weil er Emmys Begeisterung für die Nazis unerträglich findet. Bis zu seinem Tod 1959 lebt Kubin noch elf Jahre in Zwickledt, betreut von der Haushälterin Cilli. Von ihr sind viele "magische" Anekdoten überliefert, mit Sorge verfolgt die Tiefgläubige Kubins Kontakte mit dem Jenseits - Verstorbenen, Dämonen, dem Teufel? Er könne nicht wissen, wem aller er begegnen werde, sagt er, bevor er sich bei Gewitter und Hagel in den Garten stellt. Cilli betet, oft werden es mehrere Hundert Vaterunser am Tag.

Kubins Geist auf Zwickledt

Bis heute meinen viele, Kubins Geist auf Zwickledt zu spüren. Wer es gruselig mag, fragt bei der Führung durch das Kubin-Haus nach seinen letzten Barthaaren. Sie liegen immer noch in einer Schublade im Sterbezimmer.

Service

OÖ Museen - Kubin-Haus Zwickledt

Gestaltung

  • Susanne Ayoub