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ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

"Datum", "Die Presse" und "Die ganze Woche"

Drei Nischen, in denen Print lebt

Die Zeitungsbranche kämpft mit großen Herausforderungen, bei der Transformation ins Digitale ist ein Kipp-Punkt erreicht. Die Medienhäuser müssen mit einem Tabu brechen: Das Gedruckte ist einfach nicht mehr so wichtig. Print wird aber nicht aussterben, das glaubt auch niemand. Es gibt genügend Beispiele, wie gedruckte Zeitungen auch in diesem algorithmen-getriebenen Online-Medienbusiness überleben können. Ein Blick in drei Nischen.

"Slow Journalism" nennen Chefredakteurin Elisalex Henckel und Herausgeber Sebastian Loudon in der Jubiläumsausgabe der Monatszeitschrift "Datum" das, was die Redaktion macht: aufwändig recherchierte und mit Bedacht geschriebene und bebilderte Geschichten, die weit über das tägliche News-Getriebe hinausgehen. Das finanziert sich fifty-fifty über Abos und Werbung, beides funktioniere gut, auch wenn es in den 20 Jahren seit der Gründung viel Auf und Ab gegeben habe, so Loudon. Vor kurzem ist das Jubiläum gefeiert worden, da sei das mit der Nische ein Thema gewesen.

"Wir stehen mehr im Wettbewerb mit dem Buch"

"Mir hat jemand von einer großen Tageszeitung gesagt: Das "Datum" wird es wahrscheinlich auch noch geben, wenn es das Blatt, wo ich arbeite, nicht mehr gibt. Und das klingt irgendwie plausibel", sagt Sebastian Loudon. Das sei von der Mediennutzung her einfach ein völlig anderes Spiel. "Datum" erscheine einmal im Monat mit 84 Seiten und werde für Menschen gemacht, die sich Zeit nehmen, um analog zu lesen, und die sich gerne überraschen lassen. "Und zwar von einer Redaktion und nicht nur vom Algorithmus. Das heißt, wir stehen eigentlich mehr im Wettbewerb mit dem Buch als mit all jenen Medien, die 24 Stunden, sieben Tage die Woche versuchen, im Nachrichten-Tornado um Aufmerksamkeit zu heischen."

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Haptischer Gegenentwurf zur endlosen Timeline

"Datum" macht auch Podcast und Newsletter, etwa den vielbeachteten "Leitfaden" von Georg Renner. Man vertraue aber nicht darauf, diese "Beiboote" - wie es Loudon nennt - auch einmal monetarisieren zu können. Man mache das, damit auch einmal Geschichten viral gehen können und um neue Abonnenten anzusprechen. "Aber es ist sozusagen kein Geschäftsmodell. Unser Geschäftsmodell ist das integrierte gedruckte Produkt. Der haptische Gegenentwurf zur nie aufhörenden Timeline auf dem Handy, der auch ein bisschen Ruhe und Konzentration erfordert und das aber umgekehrt auch bietet: Das Gefühl der Abgeschlossenheit, wenn man mit einer "Datum" Geschichte fertig ist. Dann hat man das Gefühl: okay, man ist fertig und kommt nicht von einem Link zum nächsten Link."

Die "Presse am Sonntag" ist gut gealtert

Ganz bewusst auf Print setzt auch die Tageszeitung "Die Presse", die schon mit der Gründung der "Presse am Sonntag" vor genau 15 Jahren unter dem damaligen Chefredakteur Michael Fleischhacker einen Schritt in diese Richtung getan hat. Am Wochenende ist Zeit, um in Ruhe zu lesen, so die Idee. Zum Jubiläum gab es eine Ausgabe mit Interviews mit prominenten Gast-Chefredakteuren, wie sie die "PamS" für jeden Geburtstag engagiert. Zum Beispiel André Heller, der mit Christian Ultsch ein hinreißendes Gespräch geführt hat.

Vor kurzem hat "Die Presse" einen Relaunch bekommen, der das Bekenntnis zu Print unterstreichen soll. Chefredakteur Florian Asamer beschreibt es so: "Wir glauben nach wie vor an die Zukunft der Print-Zeitung. Deswegen haben wir uns entschieden, einen Relaunch zu machen und noch einmal zu investieren in das Thema."

"Die Presse" antizyklisch bei Print-Abo-Zahlen

Die Zahlen würden das auch hergeben: "Es ist das erste Mal so, dass wir nicht an Auflage verlieren, sondern unter der Woche und vor allem auch am Sonntag zusätzliche Abos kriegen." Florian Asamer sieht die gedruckte Presse als Luxus-Vintage-Produkt, aber er hat auch die Familie am Wochenende im Kopf, wie sie um und gegen Bildschirm-Zeiten kämpft. "Vielleicht kann man sich dann auf ein gemeinsames analoges Informations-Medium einigen", hofft der "Presse"-Chefredakteur. Deshalb lege man auch am meisten Augenmerk aufs Wochenende - "Die Presse" sei momentan sogar die einzige Qualitätszeitung, die zwei Ausgaben am Wochenende habe.

Und dann wäre da noch "Die ganze Woche". Die gibt es seit fast vierzig Jahren, es ist die auflagen- und reichweitenstärkste Wochenzeitung Österreichs. Der Medienexperte Peter Plaikner geht noch weiter: "Die Zeitung ist wahrscheinlich das meistunterschätzte Medium in Österreich überhaupt. Es hat doppelt so viele Frauen wie Männer in der Leserschaft. Für sie gilt: Je älter, je bildungsferner, je geringer das Einkommen, desto eher sind es Leserinnen und Leser der "Ganzen Woche" - und das gleich verteilt über alle Bundesländer." Es gebe keine Wien-Lastigkeit und kein Stadt-Land-Gefälle, das sei außergewöhnlich.

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"Die ganze Woche" ist die Meistunterschätzte

Die generelle Abwärts-Entwicklung der Leserzahlen geht auch an der "Ganzen Woche" nicht vorbei, sie habe zuletzt ihren Tiefstwert mit 8,5 Prozent Marktanteil erreicht und lag zu ihrer besten Zeit 1990 bei 34,4 Prozent, so Plaikner. "Aber der Abstieg geht nicht schneller als bei anderen. Und die Leserzahl, die sie heute noch hat, ist insgesamt fast so hoch wie jene von "News", "Profil" und "Falter" zusammen." Die "Ganze Woche" hat noch immer 650.000 Leserinnen und Leser, die drei anderen Wochenblätter haben zusammen 700.000.

Vor langer Zeit habe die Motivforscherin Helene Karmasin in einer umfangreichen Studie herausgebracht, dass überdurchschnittlich viele Frauen in ländlichen Regionen, die sehr viel arbeiten, die Wochenzeitung lesen. Frauen, die wenig Zeit für sich haben: "Und wenn die eine solche Illustrierte lesen wie "Die ganze Woche", dann ist das die einzige Zeit, in der sie sich etwas gönnen", so Plaikner. Er sieht auch eine politische Relevanz des Blattes: Es erreiche 19 Prozent der über 60-Jährigen, und die sind mit 2,3 Millionen etwa ein Drittel der Wahlberechtigten.

Politische Relevanz an der Supermarkt-Kassa

Eine solche Reichweite bei dieser älteren Zielgruppe - das Blatt gibt es an jeder Supermarkt-Kassa zu kaufen - würden "sonst nur noch der ORF mit wenigen Sendungen, die "Kronen Zeitung" und alle regionalen Gratis-Wochenzeitungen zusammen" schaffen. So gesehen sei "Die ganze Woche" ein "politisch äußerst relevantes Medium".

Das heißt nicht, dass die Berichterstattung besonders politisch angelegt wäre. Da geht es in erster Linie - zielgruppengerecht - um gealterte Promis, Essen, Rätsel und Gesundheit. Dazu kommt Kritik an der EU und ein deutliches Ja zum Klimaschutz, das ist so ein Grundrauschen. Der Verkehrsplaner und Auto-Kritiker Hermann Knoflacher hat eine regelmäßige Kolumne, ebenso die streng konservative Gudula Walterskirchen mit oft FPÖ-nahen Positionen. Aktuelle politische Themen werden jede Woche als Pro und Kontra mit Politikern unterschiedlicher Parteien abgehandelt. SPÖ-Chef Andreas Babler hatte zweimal eine Doppelseite, einmal ein Interview, einmal das Recht auf analoges Leben - das zieht bei der älteren Zielgruppe.

Guter Wind für NR-Kandidatin auf leisen Pfoten

Eine Doppelseite hat auch die Ex-Grüne Madeleine Petrovic bekommen, als sie ihre Kandidatur zum Nationalrat mit einer eigenen Partei bekanntgegeben hat. Petrovic kommt auch als Tierschützerin öfter im Blatt vor, das passt zusammen. Sprich: wenn "Die ganze Woche" politisch etwas bewegen will, dann hat sie das Potenzial dazu. Allerdings lässt sich der Eigentümer Noah Falk politisch nicht einordnen, er ist sehr medienscheu und hat ein Interview mit #doublecheck abgelehnt.

Falk sieht "keinen Bedarf und noch weniger Sinn darin", wie er schreibt. Sein Vater Kurt Falk hat die Zeitung 1985 gegründet, mit dem Geld, das er damals für seine Hälfte an der "Kronen Zeitung" bekommen hat - nach einem Zerwürfnis mit Hans Dichand, mit dem er die mit Abstand größte österreichische Tageszeitung einst gegründet hatte.

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