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Digital News Report
Digitale Transformation am Kipppunkt
Der "Digital News Report" 2024 zeigt: Die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten stagniert, nachdem sie zuletzt wenigstens langsam gestiegen ist. Branchenvertreter sagen, man sei im Netz noch immer zu sehr von Print getrieben, so werde man junge Leute nicht gewinnen können. Freischwimmen im digitalen Neuland ist also angesagt. Dafür gibt es auch eine Förderung. Aber die werde oft verschwendet, so die Kritik.
4. Juli 2024, 18:32
KRAUSE
Sebastian Krause
Sebastian Krause, der für die Produktentwicklung bei der "Kleinen" zuständig ist, legt so etwas wie eine Beichte für die gesamte Branche ab: "Wir reden seit zwei Jahrzehnten von der Digitalisierung, aber wir machen es nicht. Die nächste Generation verlangt einen deutlichen Innovationsschritt, sonst wird sich das Wachstum einbremsen." Der Prozess, Leser und Leserinnen von Print ins Digitale zu holen, sei nahezu abgeschlossen. Die Jungen wollen mehr als eine Zeitung im Netz, sagt Krause und kommt zu dem Schluss, dass der eigentliche Schritt, uns zu digitalisieren, erst jetzt beginne.
Das gedruckte Wort zählt nicht mehr viel
Das heiße, Tabus brechen: Das gedruckte Wort zähle nicht mehr so viel: "Jüngere Generationen lesen einfach nicht mehr so gerne, das ist eine Tatsache, vor der wir die Augen nicht verschließen dürfen", sagt er. Was das bedeutet, ist klar: "Mehr Audio, mehr Video, mehr Social, mehr Live." Auch mehr Personalisierung sei gefragt, nach dem Modell von Netflix und Spotify.
Außerdem: je digitaler, desto regionaler müsse die "Kleine" werden. Weil man Nachrichten, sei es die Champions League oder das Geschehen in Brüssel, Wien und New York, auch bei anderen Medien findet, gratis. "Aber die Geschichten, die in der unmittelbaren Nähe passieren, vor der Haustür, die sind unglaublich wertvoll, weil wir die digital nicht so leicht bei der Konkurrenz finden", so Krause. Ein Drittel der Abonnenten und Abonnentinnen der "Kleinen Zeitung" sei bereits digital, und im Netz habe man gleich viele Leser wie in der Zeitung.
APA
Nur wenige wollen für News im Netz bezahlen
Wie dringend die Veränderung ist, zeigt die wichtigste Branchenstudie: Der "Digital News Report" der Universität Oxford macht deutlich: Die Bereitschaft der Leserinnen und Leser, für Journalismus im Netz zu zahlen, stagniert und geht leicht zurück in Österreich. Nur rund 14 Prozent der Befragten sind bereit zu zahlen. Zum Vergleich: in skandinavischen Ländern ist es fast die Hälfte. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Medien und immer mehr Menschen sagen, sie werden nachrichten-müde. Die meisten Befragten würden nur für ein bis zwei Abos zahlen wollen, maximal 15 Euro, so der Report.
Förderpolitik als Hemmschuh für Innovation?
Besonders auffallend sei, dass zwei Drittel der Befragten gar nicht einschätzen könnten, was ein digitales Abo wert ist. Daran seien auch die Medien selbst schuld, sagt Stefan Gadringer, einer der Studienautoren: "Dass nicht kommuniziert wird, dass unsere Inhalte etwas wert sein sollten, und was sie wert sind. Qualitätsjournalismus ist gut und schön, aber nur ein Schlagwort."
Auch die vielen Förderungen seien problematisch: Gadringer nennt die Presseförderung, die Privatrundfunk-Förderung, die Qualitätsjournalismus-Förderung und die Förderung für die digitale Transformation. Die sind eigentlich dafür gedacht, die Medienvielfalt im kleinen Land Österreich zu erhalten. Dazu kämen noch 200 Millionen Euro an Inseraten durch die öffentliche Hand. "Das ist der Hemmschuh, und der macht träge. Es geht noch nicht so schlecht, dass man kreative Wege finden müsste und das Rad neu erfinden. Aber der Trend geht runter, das sieht man über die Jahre hinweg, aber der Patient hält sich noch."
Digitalförderung: "Da wird Geld verschwendet"
Genesung soll ja eigentlich die Förderung für die digitale Transformation bringen. Voriges Jahr haben die alten Medienhäuser etwa 20 Millionen Euro vom Bund dafür bekommen, sich digital zu erneuern, die gleiche Summe steht heuer zur Verfügung. Zum Ärger vieler neuer Online-Medien, die in Konkurrenz stehen und keine Förderung bekommen. Gadringer findet, hier werde Geld verschwendet: "Wenn man schaut, wofür die Förderung vergeben wird: Da wird eine Website finanziert, mit Unsummen. Mit Funktionen, wo man früher gesagt, das machen wir sicher nicht. Da sagt man jetzt, ja das nehmen wir einfach, das lassen wir uns finanzieren." Hier seien strengere Regeln und mehr Kontrolle notwendig.
Die Kritik richtet sich an die Regulierungsbehörde RTR, die die Förderungen vergibt. Der Medien-Watch-Blog Kobuk hat Anfang des Jahres Beispiele zusammengetragen: Teure neue Websiten für die Oberösterreichischen Nachrichten, Heute, Kurier oder oe24 waren darunter, oder Newsletter. Und nur bei einem Drittel der vergebenen Gelder könne man nachvollziehen, wofür sie ausgegeben wurden. Eine transparente Bilanz der RTR fehlt. Die RTR weist die Kritik zurück und sagt Informationen seien auf der Website zu finden. Ein eigener Bericht sei nicht geplant.
Wofür "Krone" und "Kurier" das Geld ausgeben
Der Boulevard steht im Fokus, weil er traditionell am meisten Förderungen bekommt. Michael Tillian, Geschäftsführer des Mediaprint-Verlags, der "Kronen Zeitung" und "Kurier" herausbringt, lässt den Vorwurf nicht auf sich sitzen. "Wir haben in enger Abstimmung mit der RTR klare Richtlinien. Es wird detailliert nachgewiesen, was wird für welches Projekt verwendet auf Einzelrechnungs-Ebene. Mein Bild ist nicht, dass Geld verschwendet wird, und schon gar nicht, dass intransparent gearbeitet wird."
Die Digital-Förderung werde für Weiterbildung ausgegeben und für die Verschränkung von Print und Digital im Newsroom. Und was verändert sich inhaltlich? Die harte Währung sei nicht das klassische Click-Bait, sondern wie oft und wie lange jemand auf den Websites und in den sozialen Netzwerk verweile, auch daran werde gearbeitet.
"Österreich ist weiterhin ein Print-Land"
Aber bei "Krone" und "Kurier" läuft das digitale Geschäft noch schleppend. Erst zehn bis 15 Prozent der Abos seien digital. Wobei die "Krone" da vor dem "Kurier" liegt. Die digitalen Erlöse lägen unter den Nutzerzahlen, sagt Tillian, genau will er das nicht beziffern. Aber man habe "substantielles Potenzial". Irgendwann, ein Datum nennt er nicht, sollen "Krone" und "Kurier" die Hälfte ihrer Abos digital erwirtschaften.
"Österreich ist ein Print-Land, nach wie vor, wenn man sich die Reichweiten anschaut. Unsere Aufgabe ist es, unsere bestehenden Kunden super zu versorgen, mit dem Logistik-Service und garantierten Zustellzeiten in der Früh." Für diese Zulieferung in "die letzte Meile", also sprichwörtlich ins letzte Tal, will Tillian noch mehr Förderungen vom Bund. Die Kleine Zeitung schließt sich an. Auf die schon oft gestellte Frage, ob man mit der Digitalisierung nicht viel zu spät sei, sagt Tillian: "Spät oder früh, Hauptsache man ist dran. Wenn wir unser Potenzial ausschöpfen, werden wir nicht zu spät sein".
Ein Jahr nach dem Aus für "Wiener Zeitung"
Ein eigenes Kapitel ist die "Wiener Zeitung", die per Gesetz vom Print- ins digitale Zeitalter befördert worden ist. Freunde der Druckausgabe rund um den Schauspieler Cornelius Obonya haben zum ersten Jahrestag der Einstellung noch einmal Kritik an der "journalistischen Schmalspurkost auf TikTok" geübt. Die Nachfolger feiern genau dort und sagen: "Es war nicht immer einfach." Trotz der sechseinhalb Millionen, die der Bund für das neue Produkt budgetiert. Warum nicht einfach? Der Kulturwandel, sagt Geschäftsführer Martin Fleischhacker: "Wir haben uns dem konstruktiven Journalismus verschrieben. Und die Transparenz-Seite, das ist viel mehr Aufwand."
Auf der Transparenz-Seite werden soweit möglich Quellen, Gesprächspartner und die Umstände der Recherche-Arbeit angegeben, bei den Jungen komme das gut an, sagt Fleischhacker. "Jugendliche haben Interesse an Qualitätsjournalismus. Sie interessiert sich dafür: Wo kommt das Thema her, warum schreibt das Medium darüber, was sind die Quellen, wo kann man weiter recherchieren?"
Erstes Print-Magazin der digitalen WZ
Im Juni ist das erste gedruckte WZ-Magazin erschienen, auch das ein gesetzlicher Auftrag. Gleich auf Seite 2 ist kurioserweise ein Eigeninserat, das für die Auftritte der WZ im Web, auf TikTok und Instagram wirbt. Das Heft wird gratis verteilt. Wieviel die Produktion kostet, weiß Fleischhacker nicht. Sein Vertrag soll übrigens noch vor der Wahl um fünf Jahre verlängert werden. Dass ihm sein Hintergrund - Fleischhacker kommt aus der ÖVP - dabei geholfen haben könnte, wie es gestreut wird, das bestreitet der WZ-Geschäftsführer. "Es gibt ein Stellenbesetzungsgesetz und ich hab mich genauso beworben wie wahrscheinlich viele andere."
Der Boulevard muss sich neu erfinden
Für den Medienwissenschafter Andy Kaltenbrunner ist die WZ trotz aller Beteuerungen kein Vorbild im Bereich des Digitalen. Das Geschäftsmodell bedeute totale Abhängigkeit von der Politik, ein Vorwurf, den Fleischhacker zurückweist. Kaltenbrunner bleibt dabei: "Wäre das in Osteuropa, etwa in Ungarn, dann würden wir die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: Das ist Orbanismus".
Kaltenbrunner glaubt auch nicht, dass die Digitalförderung viele Innovationen bringt, im Gegenteil, das sei eine Form von Wirtschafts-Förderung für eine sterbende Industrie. Der klassische Boulevard, der in Österreich viel gelesen wird, sei jedenfalls nicht für neue Leser und Leserinnen im Netz gerüstet, so der Medienforscher: "All das was Trash ist, kann das Netz besser, die müssen sich neu erfinden".
Vorbilder in Nord- und Südeuropa
Viel besser seien die skandinavischen Länder: Im norwegischen Bergen etwa gebe es eine Media-City. Hier würden staatliche Gelder genutzt, um digitale Lösungen für alle zu erarbeiten, etwa im Bereich Content Management. Oder Südeuropa. In Spanien sei es Medien finanziell so schlecht gegangen, dass alte gestorben und neue, digitale Medien entstanden sind. Weil es gar nicht anders ging.
Ohne staatlichen Förderungen würde es in Österreich auch so kommen, meint Andy Kaltenbrunner. "Von den 12 Zeitungen, von denen nur 10 Zahlzeitungen sind, bleibt nur mehr ein Drittel übrig." Die Kraft der digitalen Erneuerung ohne den langen Arm der Politik, die zeichnet sich in Österreich nicht ab. Als Alternative droht die harte Landung.
Service
Digital News Report 2024 Daten für Österreich
WZ-Magazin - Ein Jahr nach Einstellung der gedruckten "Wiener Zeitung" erschien das erste WZ-Magazin. Ein Heft über das Wählen.