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DPA/FABIAN SOMMER

Der Wahlkampf und die Videos im Netz

Die Entdeckung von YouTube

Die Videoplattform YouTube gehört in Österreich seit Jahren und quer durch alle Altersgruppen zu den Top Zwei der Social-Media-Plattformen. 55,7 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher schauen regelmäßig YouTube. Immer mehr Medienhäuser versuchen mit eigenen Videos, Abos und Klicks zu sammeln. So auch der ORF seit Anfang September mit einem eigenen ZiB-Kanal. Man trifft dort auf einen starken Boulevard und die parallele Medienwelt der freiheitlichen Partei. Und im Wahlkampf auf besonders viel Bewegtbildwerbung.

Sieben sogenannten Elefantenrunden, dutzende Duelle und Wahlsendungen. Nicht nur im ORF dominiert die bevorstehende Nationalratswahl das TV-Programm. Auch bei den privaten TV-Sendern ist das Angebot so dicht wie noch nie. Das lässt mitunter wählerisch werden: Herbert Kickl ging für seinen medialen Wahlkampfauftakt zum Beispiel lieber zu oe24 als zwei Wochen vorher zu Puls24. "Hätten Sie es lieber umgekehrt gehabt? Nicht. Dann freuen Sie sich doch, dass ich da bin", sagte er dort vor dem Start seines Sommergesprächs.

Nachschauen kann man dieses und alle anderen oe24-Sommergespräche auf YouTube. Denn auch dort wird wahlgekämpft. Und österreichische Medienhäuser steigern ihre Präsenz, wie eine Analyse des Branchenmagazins "Horizont" zeigt. Platzhirsch ist auf YouTube oe24.TV, was Abo-Zahlen und hochgeladene Videos betrifft. Stark vertreten sind auch Vorarlberg Online, Österreichs größter Privatsender Servus TV und Krone TV. Dass die reichweitenstärkste Tageszeitung noch Aufholbedarf hat, relativiert Krone TV-Chef Max Mahdalik: "Bei den monatlichen Abrufzahlen sind wir eine Nasenlänge voraus. Wo oe24 noch vorne ist, sind tatsächlich die Abonnenten."

"Man muss Masse rauspfeffern" als Geschäftsmodell

Wichtig ist für Mahdalik auch, sich inhaltlich vom Fellner-Haus abzugrenzen. Man stehe nicht für "Trash-Polit-Duelle", wolle die Politik nicht ins Lächerliche ziehen. "Das finde ich demokratieschädlich, ehrlich gesagt. Wir sind ein Pendant zu den anderen Sendern, Politiker können bei uns auch Gedanken zu Ende führen." Die "Kronen Zeitung" als der bessere Boulevard, man kennt die Erzählung.

Den "Krone"-YouTube-Kanal gibt es schon seit 2007. Lange wurde er nur lieblos bespielt. Heute gehört YouTube zur Pflicht der Bewegtbild-Redakteure und Redakteurinnen. Ein bis zwei von ihnen kann sich Mahdalik mittlerweile sogar mit YouTube finanzieren. Indem viele der Videos monetarisiert werden, wie das heißt - also Werbung geschaltet wird. Diese Werbeeinnahmen lohnen sich nur unter einer Bedingung: "Selbst mit einem Video, das 300.000 Abrufe macht, verdient man vielleicht 800 bis 1000 Euro. Es geht wirklich um die Masse. Man muss Masse rauspfeffern auf YouTube. Wir spielen bis zu 40 Videos am Tag", erzählt Mahdalik.

ORF will mit "Zeit im Bild" eine Lücke füllen

Mit ein bisschen Masse und null Abos ist es am Montag im ORF-Newsroom losgegangen. Der "ORF Zeit im Bild"-Kanal auf YouTube ist jetzt offiziell online. Man will dort eine Lücke füllen: Denn obwohl 55,7 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher YouTube nutzen, konsumieren nur 20,5 Prozent Nachrichten, zeigt der Digital News Report 2024. Irina Oberguggenberger leitet das Social Media-Ressort im ORF-Newsroom. Mit der YouTube-Initiative will man neue Menschen mit ORF-Angeboten ansprechen. "Wir wollen Leute erreichen, die vielleicht gar nicht wussten, dass ZiB-Inhalte für sie interessant sein können."

Potenzial sieht Oberguggenberger dafür nicht obwohl, sondern gerade weil es YouTube ist. "YouTube war immer Tutorials und Explainer. Das sind die hauseigenen Formate, bei denen es immer um Education gegangen ist. Die Leute wollen Dinge lernen. Von dem her glaube ich, dass wir da schon gut unseren Platz haben."

Content verschenken, um viele zu erreichen

Trotzdem stellt sich die Frage, ob der eigene Content an dritte Plattformen verschenkt werden soll. Darüber diskutiere man intern jeden Tag, erzählt die Social-Media-Chefin. Die Diskussion sei wichtig und richtig, aber trotzdem müsse es der ORF machen. "Wir haben Menschen, die wir einfach auf unseren eigenen Plattformen nicht so gut erreichen. Wir müssen aber ein Programm für alle machen." Das langfristige Ziel sei dennoch, die Menschen auf die eigenen Kanäle zu leiten. Ein noch illusorisches Ziel. Auch weil YouTube das Nutzungsverhalten verändert hat: Vor allem junge Menschen nutzen die Plattform als Suchmaschine.

Auch eine umkämpfte Werbe-Plattform

YouTube ist nicht nur ein Kanal für Information und Unterhaltung. Es ist auch Werbe-Plattform. Speziell im Wahlkampf wird kräftig in digitale Werbespots investiert. "Gerade in Österreich, wo politische Bewegtbild-Werbung de facto nicht von Fernsehstationen gezeigt werden darf und kann, ist YouTube ein Weg, um bezahlte Bewegtbild-Werbung auszuspielen", sagt der Kampagnenberater und Experte für digitale Kommunikation, Yussi Pick.

Die Google Transparenz-Datenbank verrät, wie viel wer und wofür ausgibt. Bei der SPÖ investiert man derzeit zum Beispiel 30.000 bis 35.000 Euro für einen zweiminütigen Werbespot, der seit Anfang Juni läuft. Er hat über zehn Millionen Aufrufe. Eine Kampagne allein stehe aber nicht im Verhältnis zu dem, was die Freiheitliche Partei seit Jahren in digitale Kommunikation investiert, sagt Pick. "Die SPÖ ist sicher jetzt präsenter im digitalen Raum, als sie es unter der letzten Vorsitzenden war. Aber sie extremen Aufholbedarf. FPÖ TV gibt es seit zehn Jahren."

FPÖ TV ist im Netz eine etablierte Marke

FPÖ TV ist der parteieigene Fernsehsender der Freiheitlichen. Auf YouTube hat es mehr als 200.000 Abonnenten und Abonnentinnen und erreicht mit seiner Berichterstattung mitunter zehn- bis hunderttausende Abrufe. Der FPÖ gelinge es als einziger Partei, seit Jahren und egal mit welchem Vorsitz eine konsistente Geschichte zu erzählen. "Es gibt durchaus eine zentrale Person, nämlich Herbert Kickl. Aber dann eben eine etablierte Marke mit FPÖ TV sowie den Generalsekretär Hafenecker und noch ein paar andere bekannte Gesichter", erklärt Pick die blaue Strategie.

Die läuft aber nicht mehr nur über YouTube. Laut Pick ist die Plattform für politische Parteien schon lange kein zentraler Kanal mehr. Hochformatige Videos auf Instagram und TikTok sind da viel moderner. Aber man müsse eben einfach überall sein.

Vergleich Hitler-Kickl als Werbevideo

Umkämpft ist der Kanal politisch trotzdem noch. Die "Plattform Demokratie Österreich" veröffentlichte zuletzt ein Video, das über YouTube hinaus für Aufregung sorgte. Es ist nur 15 Sekunden lang, ein bezahlter Werbespot. Das Konterfei Herbert Kickls verschwimmt mit dem von Adolf Hitler. Lediglich der Schriftzug bleibt im Wortlaut gleich: "Volkskanzler". Robert Luschnik, früher bei Grünen und NEOS, steht hinter dem Video. Mit der Kampagne will er aufzeigen, "dass die FPÖ mit ihrer Volkskanzler-Kampagne auf historisch belastete Begriffe zurückgreift, die bereits in den Wahlkämpfen der NSDAP 1932/1933 für Hitler verwendet wurden".

Für die FPÖ ist das ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Sie hat Strafanzeige eingebracht. Auf Facebook und YouTube kursiert das Video weiterhin. Auch wenn es von YouTube nach einer Meldung kurzzeitig als "Hassrede" eingestuft und offline genommen worden ist. Ein E-Mail an den Mutter-Konzern Google - und wenige Stunden später war das Video wieder online.

Organisationen, die sich als Medien tarnen

Dank Registrierungspflicht und mehr Transparenz sehen Nutzer und Nutzerinnen heute zumindest, wer für welche politischen Inhalte Werbung schaltet. Ansonsten kann kostenlos und wenn gewollt auch anonym auf YouTube hochgeladen werden. Medienexperte Pick sieht viel mediales Angebot grundsätzlich positiv, weist aber auch auf die Herausforderung hin, "dass es sehr leicht geworden ist, für unterschiedliche Organisationen so zu tun, als wären sie Medien".

Auf YouTube zählen die "knackigen Sager"

Das ist im linearen TV anders: Sendeplätze sind dort beschränkt. Der TV-Sender der "Kronen Zeitung" wird nach einem langen, rein digitalen Leben seit 2020 auch linear ausgestrahlt. Der Weg vom Digitalen ins Lineare: Das unterscheide sie von allen anderen am Markt, sagt Programmchef Max Mahdalik. Den Schritt wollte man aber machen, um professioneller zu produzieren. "Das ist ein bisschen eine andere Liga."

Und für das Mitspielen in dieser Liga gibt es Förderungen aus dem 25 Millionen Euro schweren Privatrundfunk-Fonds. Geld gab es zuletzt vor allem für Projekte zum Superwahljahr. Für Sendungen zur Nationalratswahl bekommt oe24.TV 162.000 Euro, Krone TV 40.000 Euro. Was man davon auf YouTube stellen werde? Relativ wenig, sagt Mahdalik. "Eine komplette Elefantenrunde vor einer Wahl ist sicher kein YouTube Format. Wenn einer der Spitzenkandidaten den mega-knackigen Sager geliefert hat, könnte es aber interessant sein, den für YouTube rauszucutten.“ Erst die knackigen Sager bringen Klicks. Und Klicks bedeuten Reichweite und Einnahmen.