Ö1 gehört gehört

Margret Gressenbauer

Ich höre schon mein ganzes Leben lang Radio. Meine Eltern hatten einen großen Hornyphonapparat - mit dem haben wir schon zu unserer Zeit in Berlin immer Radio gehört. 1944 sind wir dann nach Österreich zurückgekehrt. Es sind dort so viele Bomben eingeschlagen. Die Jahre in Berlin waren in vielerlei Hinsicht prägend für mich und die Familie. Wir waren die meiste Zeit mehr oder weniger eingesperrt. Das Radio hatte eine enorm wichtige Funktion, vor allem, um sich zu informieren.

Margret Gressenbauer

Ö1 Club-Mitglied der ersten Stunde

Lukas Beck

Zurück in Wien haben wir in einer Wohnung im Zichypalais im 14.Bezirk gelebt. Die wurde damals von der Firma meines Vaters angemietet. Irgendwann läutete es an der Tür - und russische Soldaten traten ein. Sie wollten unsere Wohnung beschlagnahmen. Aber meine Mutter war dagegen! Sie hat uns alle, die ganze Familie, aufmarschieren lassen. Sie unterbreitete den Russen den Vorschlag, dass wir alle in der Wohnung bleiben dürfen - und sie bekommen den Salon. Dafür würde sie für die Soldaten das Dienstmädchen machen. Das war dann auch so. Als sie das Radiogerät gesehen haben, bestanden sie darauf, Radio Moskau einzustellen. Sie machten sich daran, die Antenne aufzubauen und arbeiteten sich Richtung Abzweigdose vor. Genau dort hatte meine Mutter aber den ganzen Schmuck versteckt. Je näher sie zur Abzweigdose kamen, desto fester drückte meine Mutter meine Hand. Kurz vor der Dose war dann das Kabel aus. Meine Mutter meinte zu den Soldaten, sie sollten es doch einfach mal probieren - vielleicht ginge Radio Moskau ja schon. Und so war es dann glücklicherweise auch.

Meine Mutter war eine konservative Radiohörerin, sie hat eigentlich nur Klassik gehört. Es gab nichts Anderes. Erst Anfang der 1950er Jahre habe ich mitgekriegt, dass es auch eine andere, bessere Musik gibt. Eine Freundin und ich sind in der fünften Gymnasiumklasse immer zu einem Freund gegangen und haben dort Radio Rot-Weiß-Rot und einen US-Sender gehört. Das habe ich bedeutend spannender gefunden, als ins Gymnasium zu gehen. Es war im Prinzip dann auch der Anfang vom Ende meiner Gymnasialzeit. Ich habe dann die Angewandte besucht und habe mich der Architektur, Malerei und Grafik gewidmet.

Das Radio hat für mich viel dazu beigetragen, die Welt als groß und vielfältig zu begreifen.

Das Medium Radio hat mir eine andere Welt gezeigt. Bis circa 1965 - in dem Jahr habe ich meinen Mann geheiratet - habe ich jede Nacht zum Schlafen einen US-Sender gehört. Das war so selbstverständlich für mich. Die Jazzmusik, die sie dort und auch später auf Ö1 gespielt haben, hat mich fasziniert. Und tut es noch immer. In England war ich oft in irgendwelchen Jazzclubs unterwegs. Generell bin ich viel zu Jazzkonzerten gegangen. Wenn es mir nicht gut gegangen ist, habe ich geschaut, was um 23:00 Uhr im Radio läuft und auf volle Lautstärke aufgedreht.

Mittlerweile hat sich mein Hörverhalten natürlich geändert. Mein Mann mag keinen Jazz. Manchmal ist er - mir zuliebe - auf das eine oder andere Jazzkonzert mitgegangen. Er war aber nicht begeistert. Das hat mich allerdings auch nicht gestört. Ich glaube, es ist wichtig, dass man miteinander redet, sich austauscht und auch andere Meinungen stehen lassen und akzeptieren kann. Das Leben hat verschiedene Phasen. Das ist so. Und wahrscheinlich ist es auch gut so.

Ö1 begleitet mich seit vielen Jahrzehnten. Als der Ö1 Club gegründet wurde, habe ich mir sofort gesagt: Ich möchte Mitglied werden und diesen Sender unterstützen. Im "gehört" habe ich mir viele Jahre immer die Sendungen angestrichen, die ich hören wollte. Leider komme ich mittlerweile selten dazu, ausgiebig und in Ruhe Ö1 zu hören. Vielleicht kommt das ja irgendwann wieder.

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Lukas Beck

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