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Wo Wasserkraft mehr schadet als nützt
Flüsse sind Lebensadern. Sie sind Teil des Wasserkreislaufs, Lebensraum, Wirtschaftsfaktor, Transportweg, Energielieferant, Biotop und Sehnsuchtsort. Aber allerorten werden Flüsse domestiziert. Wegen der Staudämme der Wasserkraftwerke sind viele in ökologisch schlechtem Zustand und Fischbestände zurückgegangen. Nun werden viele Wehre und Kleinkraftwerke abgebaut. Können wir auf den Strom verzichten?
1. Dezember 2024, 02:00
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Hörbilder | 02 11 2024
Wasserkraft hat eine lange Tradition in Österreich und ist ein großer Faktor in der Stromproduktion. Das Land erzeugt durchschnittlich 60 Prozent des gesamten Stroms in Wasserkraftwerken, Deutschland 4,8 Prozent. Im Alpenland gibt es fast 3.000 Wasserkraftwerke und damit 3.000 Querbauwerke. Gerade bei der Vielzahl an Kleinanlagen fragt sich, wie groß ist der verursachte ökologische Schaden und was ist der Gewinn?
„Das ist ein Konfliktfeld, das nicht leicht zu lösen ist“, sagt Helena Mühlmann. Sie arbeitet im Ministerium für Land und Forstwirtschaft, Regionen, Wasserwirtschaft. Mit dem 2019 begonnenen Iris-Projekt, Integrität River Solutions, versucht sie, den Zustand der österreichischen Gewässer zu verbessern. „56 Prozent unserer Fließgewässer haben keinen guten ökologischen Zustand, sondern einen mäßigen, unbefriedigenden oder sogar schlechten Zustand,“ sagt sie weiter.
Flüsse in einen "guten Zustand" bringen
Mit der Wasserrahmenrichtlinie gibt die EU den Mitgliedsstaaten vor, die Gewässer in Europa bis spätestens 2027 in einen "guten Zustand" zu bringen. In der Folge wurden etwa 2023 in Europa 487 Wehre zurückgebaut. Allein in Frankreich 156. In Österreich acht. Ein Kriterium für den „guten Zustand“ von Flüssen ist, dass sie für alle Lebewesen durchgängig sind. Der dazu nötige Bau von Fischaufstiegshilfen bedroht jedoch manchen Kleinwasserkraftwerkbetreiber in seiner Existenz. Einige geben auf. Andere kämpfen. Ihrer Ansicht nach sorgen selbst kleine Wasserkraftwerke für die Stabilität des Stromnetzes. Aus diesem Grund will ein Unternehmer an der thüringisch-bayerischen Grenze ein neues Kraftwerk bei einer alten Wehranlage errichten. Und stößt auf den Widerstand der Behörden. In Niederösterreich wiederum scheitert ein Elektrizitätswerk mit seinen Plänen, das bestehende Wehr am Kamp zu erhöhen, an der Gegenwehr der Bevölkerung.
Kampf gegen die EVN
Das Feature „Ein Fluss muss fließen“ begleitet Clemens Feigel entlang des Kamp zum Wasserkraftwerk Rosenburg. Aus Liebe zur Natur ist er vor mehr als 30 Jahren aus Wien in das niederösterreichische Waldviertel gezogen. Der frühere Künstler, heutige Unternehmensberater und Umweltaktivist erzählt von seinem zehn Jahre andauernden Kampf gegen die Energieversorgung Niederösterreich (EVN). Sein und Stefan Glas‘ Auftritt in der ORF-2-Sendereihe „Bürgeranwalt“ ist für ihn der Meilenstein dafür, dass die EVN ihre Pläne, das bestehende Wehr Rosenburg am Kamp zu erhöhen, Anfang 2024 aufgibt. Für Clemens Feigel gehören kleinere und mittlere Wasserkraftwerke ohnehin zu einer veralteten Technik der Energiegewinnung, er sieht die Zukunft der Energiespeicherung in Natrium-Ionen-Batterien.
Mehr Uferflächen für Überflutungen oder Stauseen?
Beim Hochwasser im September 2024 wurden 24 Orte am Kamp zum Katastrophengebiet erklärt, auch Wegscheid, der Heimatort von Clemens Feigel. Für den Umweltschützer ist die Lehre aus dem Ereignis, der Kamp braucht dringend mehr Uferflächen für Überflutungen. Für Stefan Zach, Pressesprecher der EVN, haben die Stauseen am Kamp „einen wesentlichen Beitrag zur Minimierung des Hochwassers geleistet“. Das Hochwasser ändert nichts an der Absicht der EVN, das Kraftwerk Rosenburg auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Größer denn je ist dagegen Clemens Feigels Vision, den Damm des Kraftwerks Rosenburg zurückzubauen, damit der Kamp von Wegscheid aus frei in die Donau fließt.
Text: Egon Koch