Illustration eines Borkenkäfers.

ORF/ISABELLE ORSINI UND ROSENBERG

Radiokolleg| 14 - 17 10 2024

Insektarium. Leben im Holz

Für die einen sind sie gefährliche Schädlinge, für die anderen ein wertvoller Teil eines natürlichen Waldes: Insekten, die in, von und mit Holz leben. Von jenen, die große Schäden an wirtschaftlich genutzten Wäldern anrichten, zeugen seit einigen Jahren größere Flächen brauner Fichten und Kahlschläge nach Käfer-Kalamitäten, wie es in der Forstsprache heißt. In der Natur sind jedoch Insekten, die Holz fressen oder für ihren Nachwuchs benötigen, Teil des natürlichen Stoffkreislaufs und notwendig für die Verwertung abgestorbener Bäume.

Der Borkenkäfer

Er ist berühmt-berüchtigt, aber kaum jemand, der nicht Waldbesitzer oder Forstbetriebsmitarbeiter ist, hat ihn schon einmal gesehen: Den Borkenkäfer. Weltweit gibt es etwa 6.000 Arten von Borkenkäfern, in Österreich gefürchtet ist vor allem der Fichtenborkenkäfer, auch "Buchdrucker" genannt. Der nur etwa 5 Millimeter lange dunkelbraune Käfer bohrt Löcher in Fichten, Lärchen, Kiefern und Tannen und legt dort seine Eier ab. Die Larven fressen unter der Rinde Gänge, die wie Schriftzeichen aussehen. Wenn sie in großer Zahl auftreten, bringen sie einen Baum und ganze Waldflächen zum Absterben. Längere Trockenheit und Hitze, beides auch Folgen des Klimawandels, schwächen die Bäume, Monokulturen begünstigen die massenhafte Vermehrung der Käfer. Um Kahlschläge zu vermeiden, wurden schon verschiedene Methoden versucht, den Käfer in die Falle zu locken.

Der Splintholzkäfer

Der Splintholzkäfer ist ein unscheinbarer schmaler, bis zu 7 mm großer hellbrauner Käfer mit glänzenden Außenflügeln und einem dunklen Kopf mit auffälligen Fühlern. Seine Mundwerkzeuge sind verkümmert, das Tier lebt je nach Geschlecht 3 bis maximal 6 Wochen. Bedeutsam ist der Käfer in seinem Larvenstadium. Die Larven sind cremefarben, haben 3 Beinpaare und eine Atemöffnung in der Mitte des Körpers. Sie verbringen ihr ganzes Leben im Inneren von Laubhölzern. Dabei sind sie nicht wählerisch: Das Holz kann leben oder tot sein, wichtig ist nur: Der Stärkegehalt und die Feuchtigkeit müssen stimmen. Sein ursprünglicher Lebensraum ist Südostasien. Von dort kam der Splintholzkäfer durch den weltweiten Handel mit Tropenhölzern in die ganze Welt und bevölkert heute den gesamten Globus. Gerne befällt er Parkettböden, Türstöcke, Fensterleibungen, Dachböden, Bilderrahmen oder Holzverschalungen. Erkennbar ist er an kleinen Häufchen von Holzmehl die sich unter den Gegenständen ansammeln und feinsten Nagegeräuschen aus dem Inneren.

Die Große Holzbiene

Sie ist bis zu 28 Millimeter groß und damit die größte Wildbiene in Mitteleuropa: die Blauschwarze Holzbiene. Wer sie zum ersten Mal sieht, hält sie meist für eine Hummel oder erschrickt sogar ob ihrer Größe. Doch die schwarze Biene mit den blau schillernden Flügeln ist völlig ungefährlich. Trifft man sie im April oder Mai auf Streuobstwiesen oder in Weingärten an, ist sie vermutlich auf der Suche nach abgestorbenen Bäumen, alten Holzpfählen oder Balken, um darin ihre Brutzellen aus einer Mischung aus Holzspänen und Speichel anzulegen. Die Larven und die erwachsene Biene fressen nicht Holz, sondern Nektar und Pollen verschiedener Blüten. Besonders gern mag sie Muskateller-Salbei. Wer die schillernde Schönheit, die zur Wildbiene des Jahres 2024 erklärt wurde, in ihrem gefährdeten Bestand unterstützen möchte, kann sie mit verschiedenen Lippenblütlern und Totholz in den Garten locken.

Der Rothalsige Düsterkäfer

Im April 2019 machten die Forscher des Nationalpark Kalkalpen einen sensationellen Fund: Sie entdeckten den Rothalsigen Düsterkäfer, eine Urwald-Relikt-Art, die in der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU unter prioritärem Schutz steht. Der Käfer, der von Totholz lebt, war zuletzt vor 40 Jahren nachgewiesen worden. Die nächste bekannte Population lebt im Bialowieza-Nationalpark in Polen. Der seltene Käfer profitierte davon, dass die Kalkalpen schwer zugängliche Schluchten, Hänge und Gräben haben, die sich der einstigen forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen haben. Seit das Gebiet Nationalpark ist und die Wälder sich natürlich entwickeln dürfen, kann sich der schwarze Käfer mit dem roten Hals aus den Urwaldrelikten heraus wieder verbreiten - gemeinsam mit 40 weiteren Insektenarten, die auf Totholz angewiesen sind und den Stoffkreislauf im Wald am Laufen halten.

Gestaltung

  • Sonja Bettel

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