Der Tiktoker Dylan Page auf einem Handydisplay

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Matrix

Newsfluencer

Die neuen Meinungsmacher:innen im digitalen Zeitalter.

Nein, Fernseher gebe es in seiner Familie längst nicht mehr, und Radio werde auch nicht gehört, erklärt mir der 15-jährige Aaron. Jedes Familienmitglied schaut, hört oder liest für sich allein am eigenen Smartphone. Er selbst bekomme seine Informationen über das, was so passiert auf der Welt, hauptsächlich über die Videoplattform TikTok. Bis vor Kurzem habe er sich nicht sonderlich für Nachrichten interessiert, erzählt der Teenager. Doch das habe sich geändert, als ihm der TikTok-Algorithmus den Influencer Dylan Page alias News Daddy vorgeschlagen hat.

Der 25-jährige Brite Dylan Page ist mit knapp 13 Millionen Followern einer der weltweit erfolgreichsten Newsfluencer. Aus seinem Home Studio berichtet er in kurzen Videos über Politik und Weltgeschehen - kurz, knackig und mit einer Prise Humor. Seine Art der Berichterstattung trifft den Nerv der jungen Generation. News-Influencer wie Page sprechen ihre Follower auf Social Media direkt und auf Augenhöhe an. Das wirkt authentisch, schafft Nähe und Vertrauen.

Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits gelingt es solchen Kanälen, junge Zielgruppen zu erreichen, die sonst gar keine Nachrichten konsumieren würden. Sie wecken bei jungen Menschen ein Interesse für Politik, Wissenschaft und Weltgeschehen. Vitus Spehar etwa berichtet auf dem TikTok-Kanal „Under The Desk News“ - in immer neuen Verkleidungen und manchmal tatsächlich unter dem Schreibtisch liegend - über die US-Politik. In dem Kanal „Nini erklärt Politik“ versucht die deutsche Politikwissenschafterin Nina Poppel, die Welt der Politik und des Feminismus verständlich zu machen.

Man muss anerkennen, einige der Newsfluencer machen ihren Job ziemlich gut. Dennoch ist es nicht ganz unproblematisch, wenn das Weltbild von Jugendlichen ausschließlich von ein paar Einzelpersonen geprägt wird, die auf ihren privaten Kanälen - durchaus meinungslastig - über Parteipolitik, Gaza oder die Ukraine sprechen. Schließlich gebe es bei solchen Kanälen keine redaktionelle Kontrolle, betont der Medienwissenschafter Stefan Gadringer, Autor des Digital News Report: „Sämtliche Standards, die sich in den vergangenen Jahrzehnten im Nachrichtenwesen aufgebaut haben, werden hier umgangen.“

Doch das eigentliche Problem sind nicht die Newsfluencer selbst, sondern, dass junge Menschen Medien heute anders nutzen als die Generationen vor ihnen. Viele Junge konsumieren kaum noch klassische Nachrichtenmedien, sondern lassen sich überraschen, was die jeweiligen Social-Media-Algorithmen ihnen vorschlagen. Daher haben sie kaum Vergleichsmöglichkeiten und können nur schwer einschätzen, wie vertrauenswürdig die Inhalte der einzelnen Influencer eigentlich sind. Das macht sie anfällig für Desinformation - eine der großen Gefahren für die Demokratie.

Gestaltung: Ulla Ebner