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APA/AFP/DANIEL ROLAND

doublecheck | 05 12 2024

Wie zarte Medienpflänzchen wachsen

Die Medien-Start-Up-Szene schläft nicht. 2025 soll ein neues Online-Medium von Radiomacher Florian Novak starten, junge Medien wie "Tag Eins" feilen währenddessen an ihrer Ausrichtung. Der Qualitätsjournalismus von morgen hat allerdings ein Finanzierungsproblem. Stiftungen wie die neue "Datum"-Stiftung von Sebastian Loudon könnten zukünftig aushelfen.

Ein neues Medium für Österreich mit dem Namen "Jetzt": Dieses Projekt stellt der Radiomacher Florian Novak Mitte November bei einer Pressekonferenz vor. 2025 soll es losgehen. "In Österreich fehlt ein 24-Stunden-Informationsradio. Diese Idee verfolge ich jetzt seit ein paar Jahren", sagt der Gründer und Geschäftsführer des Radioprogramms Lounge FM im #doublecheck-Gespräch über seine Beweggründe. "Und bei der Gelegenheit habe ich die Success Story aus Dänemark kennengelernt."

Die Success Story aus Dänemark ist das Online-Medium Zetland, das jeden seiner Texte auch als Podcast anbietet. Und das komme vor allem bei den Jüngeren viel besser an, erzählt Geschäftsführer Tav Klitgaard, der zur Pressekonferenz zugeschaltet war.

Zum Medium dazugehören als Gefühl

Novak hat sich die Dänen als technische Partner an Bord geholt. Und er will sich noch etwas anderes von Zetland abschauen: Die starke Einbindung zahlender Mitglieder. Für Zetland-Chefredakteurin Lea Korsgaard gehört das zum Erfolgsrezept: "Wir sprechen sehr oft mit unseren Mitgliedern und ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es für moderne Medien ist, nicht nur Informationen, sondern auch ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln."

Auch Novaks Medium sollen die Menschen nicht nur abonnieren, sie sollen Mitglied werden. "Plakativ gesagt ist für einen heute 22-Jährigen oder eine heute 22-Jährige die Idee einer Mitgliedschaft im Fitnesscenter sicherlich vertrauter, als etwas zu abonnieren." Als Mitglied soll man bei "Jetzt" direkt und mit Klarnamen mit den Journalistinnen und Journalisten diskutieren können. Und als Chefredakteurin oder Chefredakteur dürfe man sich nicht scheuen, Mitglieder auch anzurufen, so Novak.

"Die Jungen haben bei Netflix und Spotify gelernt"

Im Gegensatz zu seinem dänischen Vorbild Zetland schließt Florian Novak für sein Projekt Werbung allerdings nicht aus. „Es haben aus meiner Sicht all jene bereut, die versprochen haben, keine Werbung zu haben." Der erfahrene Mediengründer begrüßt Werbeeinnahmen, wenn sie dafür erlauben, die Mitgliedsbeiträge niedriger zu halten.

Was die Zahlungsbereitschaft betrifft, macht sich Novak auch deswegen keine Sorgen, weil man bei "Jetzt" auf eine Generation baut, "die gelernt hat, dass Inhalte etwas wert sind. Und damit meine ich sowohl Spotify als auch Netflix als auch andere Anbieter." Wie viel diese Inhalte wert sein müssen - und wer neben Novak noch als Investor hinter dem Projekt steht, will er allerdings nicht jetzt, sondern erst 2025 sagen.

Zahlungsbereitschaft ist gering und stagniert

Allgemein befinde sich die Zahlungsbereitschaft für Online-Medien auf einem Plateau, in Österreich noch dazu auf einem relativ niedrigen, weiß die Medienmanagerin und -beraterin Anita Zielina. Sie ist auch ORF-Stiftungsratsmitglied, von den NEOS nominiert. Nur 13,7 Prozent zahlen laut Digital News Report 2024 hierzulande für Online-Nachrichten. "Dieses Plateau wird nur überwunden werden können, wenn Medien noch stärker nutzer-zentriert und zielgruppen-orientiert arbeiten und ganz klarmachen: Was für einen Service bieten sie?", sagt Zielina. Auch Novak glaubt nicht daran, dass man Erfolg hat, indem man aus bestehenden Inhalten noch mehr Inhalte macht.

Und er will keine Konkurrenz zu Qualitätsmedien sein, sondern Social Media mit Qualitätsanstrich machen. "Wir sehen uns im Wettbewerb zu Instagram und Facebook, journalistischen Qualitätsprinzipien folgend", so erklärt Novak das. Inhaltlich wolle man sowohl Tempo als auch Tiefe bieten, was immer das heißen mag. Und politisch unberechenbar sein – "auf eine positive Art".

"Tag Eins" mit Fokus auf Politik und Medien

Auch das Onlinemagazin "Tag Eins" hat sich nicht als Alternative zu bestehenden Qualitätsmedien gegründet. "Bei allem Frust über unsere Medienlandschaft, die ist auch nicht so schlecht", sagt Gründer und Geschäftsführer Dominik Ritter-Wurnig. Die Tageszeitungen und ihre Online-Ausgaben würden sehr gute News-Berichterstattung machen. "Deswegen konzentrieren wir uns auf das Magazin. Wir glauben, hier gibt es eine Lücke."

"Tag Eins" finanziert sich ebenfalls weitgehend aus Mitgliedschaften. Vor zwei Jahren konnte man per Crowdfunding die ersten 1100 Mitglieder gewinnen. Nach einem Jahr hat man einige davon aber wieder verloren, erzählt Ritter-Wurnig: "Weil es ihren Erwartungen nicht entsprochen hat oder weil sie es nur anfangs unterstützen wollten." Heute stehe man bei 800 zahlenden Mitgliedern. Das sei allerdings zu wenig. Man plant deshalb gerade eine neue Kampagne. Und "Tag Eins" hat seinen Fokus geändert: "Wir konzentrieren uns jetzt auf zwei Themen: Medien und Politik, und idealerweise die Schnittstelle aus den beiden", erklärt der Gründer.

Das Gründen ist ein Marathon

Damit lässt das vierköpfige Team von "Tag Eins" auch einiges von dem weg, was man sich vor zwei Jahren vorgenommen hatte, zum Beispiel den Fokus auf lösungsorientierten Journalismus. Das ist für Dominik Ritter-Wurnig aber nicht weiter schlimm, man werde sich immer anpassen müssen. "Unsere Idee ist aus der Start-Up-Welt ausgeliehen: Fail fast. Wir möchten sehr schnell herausfinden, was nicht funktioniert und das dann auch wieder weglassen", sagt er.

"Fail Fast" bezieht sich auch auf das Projekt als solches. Man werde "Tag Eins" nicht auf Biegen und Brechen am Leben erhalten. "Aufgeben ist auch immer eine Option", sagt Ritter-Wurnig. Wenn man ausbrenne und sich der Lebensunterhalt nicht mehr mit dem Projekt verdienen lasse, "werden wir das sicher nicht als Hobbyprojekt weiterbetreiben". Nach zwei Jahren kommt nun einmal der Abgleich von Wunschvorstellung und Realität. "Gewünscht hätten wir uns immer, dass man den Großen Bang macht und auf einmal da ist. Das glauben wir nicht mehr", sagt Ritter-Wurnig. Er weiß jetzt: Gründen ist ein Marathon und man muss kleine Schritte gehen.

Medien in der "zweiten Phase" haben es schwer

Die Phase, in der sich das Medium befindet, ist tatsächlich kritisch. Nach zwei bis drei Jahren gehe es nämlich darum, eine Wachstumsphase einzuleiten, weiß die Medienexpertin Anita Zielina. Und dann passiert es, "dass vielen verständlicherweise der Atem ausgeht". Der Grund ist auch ein großes Manko im österreichischen Medieninnovations-Markt, sagt Zielina. "Es gibt so gut wie keine Förderungen für Start-ups in dieser zweiten Phase." Auch bei "Tag eins" läuft nun die Gründer-Förderung der Wiener Medieninitiative aus. Aussicht auf eine neue Förderung gibt es nicht – man sei zu klein und zu digital.

In Österreich sind staatliche Förderungen nämlich so ausgelegt, dass sie vor allem bestehenden Unternehmen helfen, weiß Zielina. Dazu kommt: "Die Förderlandschaft und vor allem das verdeckte Fördern durch Inserate kommt sehr stark dem Boulevard zugute."

"Datum"-Stiftung startet mit 250.000 Euro

Dabei müsse man gerade den Qualitätsjournalismus in Österreich mehr fördern. Diese Erkenntnis hatte auch Sebastian Loudon, Herausgeber des Monatsmagazins "Datum", der im Oktober deshalb die "Datum"-Stiftung gegründet hat. Loudon konstatiert ein Markt- und ein Staatsversagen: "Das Marktversagen zeigt sich besonders im digitalen Raum. Überall dort, wo Algorithmen im Spiel sind, wird ein Journalismus, der abwägend ist und Für und Wider zeigt, bestraft."

Das Staatsversagen sehe man eben in der Bevorzugung des Boulevards. So kam es bei Loudon zum stiftenden Gedanken: "Wenn eine Gesellschaft diese Dienstleistung wirklich braucht und haben will, dann muss sie auch etwas dafür tun." Zu Loudons "großer Freude, aber nicht so sehr Überraschung" scheint es in der Zivilgesellschaft tatsächlich ein großes Problembewusstsein dafür zu geben. Und die Bereitschaft, sich zu engagieren. Rund 250.000 Euro bekam die Stiftung von Privatpersonen, Unternehmen und Institutionen. Der Betrag soll sich kommendes Jahr verdoppeln. Das Geld wird für die Bereiche Aus- und Weiterbildung, die Förderung konkreter journalistischer Projekte und Recherchen, Grundlagenforschung und Innovationsförderung verwendet.

"Eine Intervention, die einfach notwendig ist"

Den Bereich Innovationsförderung lagert die "Datum"-Stiftung allerdings aus. Nämlich an den "Media Forward Fund", den der ehemalige Standard-Chefredakteur Martin Kotynek im Sommer ins Leben gerufen hat. Dort ist die "Datum"-Stiftung von Beginn an beteiligt. Das Ziel: mehr Qualitätsmedien mit tragfähigen Geschäftsmodellen. Und das nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und der Schweiz, wo der "Media Forward Fund" tätig ist und Fördermittel bündelt. In der ersten Förderrunde stehen sechs Millionen Euro zur Verfügung.

Was die "Datum"-Stiftung angeht, ist sie für Loudon "eine Intervention, die jetzt einfach notwendig ist". Er glaubt und hofft, dass das Stiftungsmodell Schule machen wird, um Qualitätsjournalismus mehr zu unterstützen.

Es ist auch der Kampf gegen Nachrichten-Wüsten

In den USA werden Stiftungen für den Journalismus schon heute immer wichtiger, erzählt Anita Zielina, die auch an der Craig Newmark Graduate School of Journalism in New York lehrt. "In dieser Bewegung der Philanthropie, die in Journalismus investiert, vor allem auch in Lokal- und Community-Journalismus, hat sich seit der ersten Trump-Regierung wirklich etwas getan hat." Zielina sprich von einem "großen Momentum", das auch Wirkung zeige: Gerade auf der lokalen Ebene sind deshalb ganz viele neue Medien entstanden. Der Anreiz bestand in den USA vor allem darin, Nachrichten-Wüsten entgegenzuwirken. Das sind ganze Gemeinden, in denen der Lokaljournalismus ausgestorben ist.

Aber auch Stiftungen seien kein Allheilmittel. "Jeder Erlös-Strom, jeder Geldfluss kommt mit irgendwelchen Nachteilen oder potenziellen Nachteilen", sagt Zielina. Auch Neo-Stifter Loudon sieht keine Unabhängigkeitsgarantie: "Überall dort, wo Geld in Journalismus oder in journalistische Projekte fließt, gibt es tendenziell auch die latente Gefahr einer Abhängigkeit."

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