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Dimensionen
Die Nobelpreise 2024
Zehn Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie eine Schriftstellerin aus Südkorea sind in Stockholm mit den Nobelpreisen in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschaftswissenschaften geehrt worden. Die Verleihung erfolgt traditionell am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels.
9. Jänner 2025, 02:00
Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an die japanische Anti-Atomwaffen-Organisation Nihon Hidankyo in Oslo wurden alle weiteren Nobelpreisträger dieses Jahres auf einer prunkvollen Zeremonie im Konzerthaus der schwedischen Hauptstadt ausgezeichnet. Ihre prestigeträchtigen Nobelmedaillen und ein dazugehöriges Diplom wurden ihnen jeweils vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf überreicht. Die südkoreanische Literaturnobelpreisträgerin Han Kang war dabei die einzige Frau unter den Geehrten.
Von den zehn männlichen Preisträgern in den Wissenschaftskategorien wurden zunächst die KI-Grundlagenforscher John Hopfield und Geoffrey Hinton in der Preiskategorie Physik ausgezeichnet.
Grundlagenarbeiten zur Künstlichen Intelligenz
John Hopfield und Geoffrey Hinton erhielten den Nobelpreis für Physik "für bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen". Der Amerikaner und der Kanadier haben die Basis für das maschinelle Lernen gelegt, auf dem heutige KI-Systeme basieren, von der Gesichter-Erkennung bis zu Sprachmodellen wie ChatGPT. Unübersehbar ist, wie KI unseren Alltag und das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine für immer verändert. Stellt sich die Frage, in welche Richtung? Hinton und Hopfield haben mit ihren prämierten Arbeiten auch potenzielle Risiken heraufbeschworen. Die Menschheit habe die Verantwortung, diese Technologie auf eine "sichere und ethische Weise" zu verwenden, sagte das Nobelpreis-Komitee bei der Bekanntgabe im Oktober.
Ihnen folgten die Proteinforscher David Baker, Demis Hassabis und John Jumper in Chemie sowie die Medizin-Nobelpreisträger Victor Ambros und Gary Ruvkun, die für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung ausgezeichnet wurden.
Werkzeuge für die Vorhersage und das Design von Proteinen
Der Nobelpreis für Chemie ging zu einer Hälfte an den US-Forscher David Baker von der University of Washington (USA) "für computergestütztes Proteindesign" und zur anderen Hälfte an den gebürtigen Briten Demis Hassabis und seinen US-Kollegen John M. Jumper "für die Vorhersage von Proteinstrukturen".
Erst auf eine ganz bestimmte Art gefaltet können Proteine ihre Aufgabe im Körper erfüllen. Diese Faltung vorherzusagen, war ein lange unerfüllt gebliebener Traum der Biochemie. Ebenso, wie ein funktionsfähiges Protein "am Reißbrett" zu entwerfen und dann die zugrundeliegende genetische Information rückzurechnen. Für beides haben die drei heurigen Nobelpreisträger Programme entwickelt: "AlphaFold" von Demis Hassabis und John Jumper sagt die 3D-Struktur von Proteinen voraus. Mit "Rosetta" von David Baker lassen sich Proteine designen. Ihre preisgekrönten Arbeiten revolutionieren nicht nur die Grundlagenforschung, auch die Anwendungsmöglichkeiten scheinen grenzenlos zu sein: von Enzymen, die Plastik abbauen, über die Untersuchung von Antibiotikaresistenzen bis hin zur Impfstoffentwicklung.
Mächtige Winzlinge: Wie microRNAs Gene regulieren
Jede Körperzelle enthält dieselben Chromosomen und damit denselben Satz von Genen. Gene regulieren, wie sich daraus Muskel- oder Nervenzellen entwickeln. Und bei dieser Genregulierung spielt microRNA eine ganz entscheidende Rolle: winzige Moleküle der Ribonukleinsäure. Entdeckt wurden diese zu Beginn der 1990er Jahre von dem Biologen Victor Ambros und dem Genetiker Gary Ruvkun. Die beiden US-Forscher erhalten dafür den Medizinnobelpreis 2024. Denn wegen der grundlegenden Bedeutung der microRNA für die Entwicklung und Funktion von Organismen dürfte sie auch an der Entstehung von Krankheiten wie Krebs und Stoffwechselstörungen beteiligt sein und damit einen neuen Ansatzpunkt für Therapien bieten.
Ursachen, die Länder und Regionen reich oder arm machen
Heute spricht man vom "globalen Norden" und dem "globalen Süden", wenn es um Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der Welt geht. Und dieses Wohlstandsgefälle zwischen den reichen Industrieländern und den armen "Entwicklungsländer" hält das Nobelpreis-Komitee für eines der aktuell größten Probleme. Die drei US-Ökonomen, die gezeigt haben, wie es zustande kommt und möglicherweise auch gelöst werden kann, erhielten 2024 den Wirtschaftsnobelpreis: Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson. Nicht die geografische Lage, Klima oder Kultur seien dafür verantwortlich, dass die eine Region arm sei und der andere Staat reich, sondern schwache Rechtsstaatlichkeit, korrupte Eliten und das Versagen politischer Institutionen. Ursachen, die in die in meisten Wirtschaftsmodellen eher ignoriert wurden.
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Intensive poetische Prosa
Der Literaturnobelpreis geht heuer an die südkoreanische Autorin Han Kang "für ihre intensive poetische Prosa, die sich mit historischen Traumata auseinandersetzt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt", so die Begründung der Schwedischen Akademie.
Han Kang wurde 1970 in Gwangju, Südkorea, geboren und ist die wichtigste literarische Stimme Koreas. 1993 debütierte sie als Dichterin, ihr erster Roman erschien 1994. Für ihr literarisches Schreiben wurde sie mit dem Yi- Sang-Literaturpreis, den Today's Young Artist Award und dem Manhae Literaturpreis ausgezeichnet. Für "Die Vegetarierin" erhielt sie gemeinsam mit ihrer Übersetzerin 2016 den Man Booker International Prize, "Menschenwerk" erhielt den renommierten italienischen Malaparte-Preis. "Weiß" war ebenfalls für den Booker Prize nominiert. Sie lebt in Seoul.
Feierlich überreicht werden die Auszeichnungen traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters und Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833-1896). Das Gros der Preise wird in der schwedischen Hauptstadt Stockholm verliehen, der Friedensnobelpreis als einziger in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Pro Kategorie sind die Nobelpreise in diesem Jahr erneut mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) verbunden.