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Science Arena
Deutschförderklassen: Talentförderung oder Segregation?
Im Jahr 2018 wurde an österreichischen Schulen von der damaligen Regierung das Sprachfördermodell der Deutschförderklassen eingeführt. Die Zwischenergebnisse einer noch bis Ende 2025 laufenden österreichweiten multiperspektivischen Studie zu den Deutschförderklassen haben vermehrt aufhorchen lassen: Hält diese Fördermaßnahme tatsächlich, was sie verspricht? Elisabeth Scharang geht mit ihren Gästen Sepideh Hassani und Susanne Panholzer ins Detail.
10. Jänner 2025, 11:27
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Science Arena | 13 01 2025
Die beiden Bildungswissenschaftlerinnen Sepideh Hassani und Susanne Schwab vom Institut für Bildungswissenschaft an der Universität Wien leiten eine Studie, die sich damit befasst, wie Deutschförderkurse in der Praxis umgesetzt werden und welche Schlüsse Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler aus den Erfahrungen mit dieser Praxis ziehen. Dafür wurden seit 2019 österreichweit Befragungen an 21 Volksschulen und 14 Mittelschulen durchgeführt.
Zu Beginn steht die Frage, wie der Einsatz von „MIKA-D“ zur Beurteilung der Sprachkenntnisse von Schülerinnen und Schülern mit beginnenden Deutschkenntnissen bewertet wird. MIKA-D ist ein vom Ministerium vorgegebenes Messinstrument, um festzustellen, ob ein Kind aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse eine Deutschförderklasse besuchen soll. Die Rückmeldung von über 670 Lehrpersonen und 109 Schulleiter und Schulleiterinnen ist sehr ambivalent.
Das Messinstrument MIKA-D wird vor allem „in Hinblick auf die Konsequenzen für die Bildungsbiografien von Schülern und Schülerinnen sehr kritisch gesehen“, heißt es in der Studie. „Es fehlt zudem die Transparenz aus wissenschaftlicher Perspektive zu diesem Tool“, sagt Bildungswissenschaftlerin und Co-Studienleiterin Sepideh Hassani.
„Institutionelle Diskriminierung beginnt mit einem Schuleingangsscreening“, Sepideh Hassani.
Ein Test entscheidet über die Bildungslaufbahn von Kindern
Susanne Panholzer arbeitet seit 28 Jahren als Volksschul- und Sonderpädagogin in einer Schule im 22. Bezirk in Wien. 80% der Kinder, die sie unterrichtet, haben Migrationsgeschichte. Mit verschiedensprachlichen Kindern einen Unterricht zu gestalten, ist für sie Alltag. Sie hat ein Beispiel aus dem MIKA-D Test auch mit den Kindern in ihrer Klasse durchgeführt, deren Muttersprache Deutsch ist und die aus bildungsnahen Elternhäusern kommen.
Das Ergebnis: eines von acht Kindern hat die Frage richtig beantwortet. Die anderen Kinder wären aufgrund des Testergebnisses als „außerordentliche Schüler“ eingestuft worden. Der Status „außerordentliche Schüler und Schülerin“ bedeutet, dass die Kinder in eine Deutschförderklasse kommen und in keinem anderen Unterrichtsfach während des gesamten Schuljahres benotet werden.
Was Kinder brauchen, um zu lernen
Susanne Panholzer: „Ich sehe als eines der wichtigsten Kriterien die Durchmischung der Klassengemeinschaft. Das bedeutet, unterschiedliche Begabungsprofile in den einzelnen Klassen zu haben, unterschiedlich auch in der Altersheterogenität.“
Die Bildungswissenschaftlerin Sepideh Hassani meint dazu: „Fast 60% der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter österreichweit geben an, dass sie ein integratives Sprachfördermodell gegenüber Deutschförderklassen bevorzugen würden.“