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FPÖ und ÖVP scheitern mit gefährlichen Medien-Plänen
Blick in den blau-schwarzen Abgrund
Die ungewöhnlichen Koalitionsverhandlungen von Blau-Schwarz hatten für die Medien in Österreich diesmal eine besondere Brisanz. Es ging um die Existenzgrundlagen des ORF als starkes öffentlich-rechtliches Medienhaus, die durch die Kürzungspläne der Freiheitlichen bedroht waren. Und es ging um die Rahmenbedingungen für den Journalismus: Plötzlich stand auch wieder das Zitierverbot aus Ermittlungsakten im Raum, das investigative Recherchen erschweren würde, und über die Medienförderung sollten Propagandakanäle im Netz aufgewertet werden.
13. Februar 2025, 19:09
Die Kommentare in den Zeitungen waren unmissverständlich. "Die FPÖ ist extrem medienfeindlich, die derzeitige ÖVP beträchtlich medienfeindlich", schrieb Hans Rauscher im Standard. Oder Florian Klenk, der im Falter titelte: "Grünes Licht für Zensur." profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer bringt es so auf den Punkt: "Herbert Kickl wollte nicht nur Volkskanzler sein, sondern auch Medienminister. Das hat wahrscheinlich weniger den Grund, dass er sich so besonders dafür interessiert oder so gerne für die Pressefreiheit einstehen möchte, sondern das Gegenteil ist der Fall."
Medienminister wäre bei der FPÖ gewesen
Tatsächlich sah das letzte, gescheiterte Angebot der FPÖ an die ÖVP für die Ressortverteilung vor, die Medien-Agenden im Kanzleramt zu belassen, auf Kunst und Kultur und EU-Koordinierung hatte man da schon verzichtet. Ein Medienkanzler Herbert Kickl oder ein Medienminister Reinhard Teufel - das ist der engste Vertraute des FPÖ-Obmanns - im Kanzleramt, das wäre wirtschaftlich und demokratiepolitisch ein Desaster gewesen für den Journalismus, so der Presseclub Concordia.
Der Medienwissenschafter und Politologe Jakob-Moritz Eberl erklärt warum: "Dass man überhaupt ein Interesse daran hat, die Medien-Agenden quasi für sich zu beanspruchen, passt in diese grundsätzliche Ideologie der Neuen Rechten hinein, wie wir sie auch bei Trump sehen oder auch bei Viktor Orban. Wo es darum geht, wirklich die öffentliche Meinung kontrollieren zu können." Und dazu muss man vor allem das stärkste Medium an die Kandare nehmen, zunächst einmal finanziell.
ORF an die Kandare nehmen hatte Priorität
FPÖ-Verhandler Christian Hafenecker hat das schon Mitte Jänner klargemacht: "Nachdem natürlich auch der öffentlich rechtliche Rundfunk etwas ist, das mit der öffentlichen Hand zu tun hat, könnte ich mir vorstellen, dass man diese fünfzehn Prozent auch bei der Reform eines ORF anlegt." Fünfzehn Prozent einsparen beim ORF-Beitrag, und das schon ab 2026. Das wären gut 100 Millionen von insgesamt 700 Millionen Euro Beitragseinnahmen gewesen.
Auch das Streichen der Valorisierung des Beitrags ab 2027 stand weiter im Raum, was noch einmal mehr als 50 Millionen Euro weniger für den ORF wären. Und das bei einem seit drei Jahren laufenden Sparprogramm im Ausmaß von über 300 Millionen Euro, über das die Kaufmännische Direktorin des ORF, Eva Schindlauer, sagt: "Diese Maßnahmen wirken jedenfalls in den nächsten Jahren fort und erlauben uns auch im Moment, noch nicht ins Programm eingreifen zu müssen. Es sind wirklich nur nachhaltige Maßnahmen drinnen." Ein großer Brocken sind die Gehaltsabschlüsse, die die niedrigsten aller Branchen waren. Posten wurden nicht nachbesetzt, aber strukturell sei das Potenzial jetzt ausgereizt, betont Schindlauer.
Jetzt hätten Schnitte ins Programm gedroht
Wären die Forderungen aus den Koalitionsgesprächen umgesetzt worden, dann hätte der ORF oben drauf noch einmal mehr als 150 Millionen Euro pro Jahr einsparen müssen. Eva Schindlauer: "Da muss man sich überlegen, dass man auch wirklich Produkte schließt und nicht mehr macht. Dann ist der öffentlich-rechtliche Auftrag nicht mehr in dem Ausmaß zu erfüllen, wie er im Moment im Gesetz verankert ist."
Sprich: Hätte die FPÖ sich durchgesetzt, dann hätte das das Programm getroffen. Mehr als 500 Millionen Euro gibt der ORF für Eigen- und Auftragsproduktionen aus, das wäre dann in dem Ausmaß nicht mehr zu halten gewesen. Und das hätte nicht nur den ORF betroffen, sondern auch die Filmwirtschaft, sagt Schindlauer. Fiktionale Programme in dieser Fülle und Größe, die würden nur vom ORF produziert. "Das sind Größenordnungen von zirka 100 Millionen Euro, die wir dafür einplanen müssen. Nur: da muss man auch sehen, das betrifft bei den Zulieferern wiederum 10.000 Arbeitsplätze, die bei uns mit dranhängen."
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Fernsehproduktionen sind ziemlich teuer
Ein 90-minütiger TV-Film kostet rund 2,3 Millionen Euro, die ORF-Führung legt großen Wert auf solche Eigenproduktionen - es geht um die österreichische Identität im Programm. Dazu kommen aufwändige Übertragungen etwa vom Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel. Oder das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das kostet inklusive Pausenfilm 800.000 Euro. Die ORF-Finanzchefin dazu: "Dazu stehen wir auch. Das sind Hochglanzproduktionen, das sind Produktionen, die in die ganze Welt übertragen werden. Da ist es auch unser Auftrag, das zu zeigen, was wir können."
Der Filmproduzent Gerald Podgornig von der "Mona Film" hat mit einem Landkrimi sogar einen deutschen Fernsehpreis gewonnen, er sagt: "Das geht nur mit dem starken ORF. Nicht nur, was die regionalen Inhalte anbelangt, dass wir diese Identität auch schaffen können, sondern auch die Partnersuche. Wir haben im ZDF einen Partner bekommen, über den ORF eingefädelt, der mittlerweile wahnsinnige Freude an diesen Formaten hat, weil sie auch großartig in Deutschland funktionieren." Man erreiche in Deutschland, aber auch über ARTE in Frankreich bis zu einer Million Zuschauer mit österreichischen Produktionen.
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Eigene Filme und Serien stärken Identität
Gerald Podgornig: "In diesen Koproduktionen entlasten wir natürlich wechselseitig die Senderbudgets sowohl für den deutschen als auch für den österreichischen Markt und schaffen trotzdem österreichische Identität. Und wenn wir das zurückschrauben müssten, wäre das natürlich ein fatales Zeichen." Diese Produktionen hätten nicht zuletzt auch einen Wert für den Tourismus. "Die Leute rufen bei uns an und fragen nach, wo das gedreht worden ist, wo man sich das anschauen kann."
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Weitere finanzielle Einschnitte würden auch die gut funktionierende Kooperation des ORF mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten Deutschlands und der Schweiz gefährden - etwa beim beliebten "Tatort". Der ORF produziert fünf Folgen in zwei Jahren, kann aber zwanzig Mal so viele ausstrahlen. Im Protokoll der Verhandlungen findet sich zudem ausdrücklich die Forderung nach umfassender Berichterstattung über Sport und Kultur, zwei Bereiche, für die der ORF mehr als 200 Millionen Euro aufwendet. Auch die Landesstudios sollen mehr produzieren. Die blaue Drohkulisse war inhaltlich total widersprüchlich.
"Großer Wurf, aber in die falsche Richtung"
Für den Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl gilt dieser Befund generell, wenn man die Ergebnisse zum Thema Medien bei Verhandlungsabbruch betrachtet. "Ein großer Wurf wäre es wohl geworden, aber in eine vollkommen falsche Richtung - weil es demokratiepolitisch extrem gefährlich wäre, wenn auf der einen Seite der öffentlich-rechtliche Rundfunk zusammengestutzt werden würde und auf der anderen Seite aber Desinformationsportale eine größere Sichtbarkeit, größere Reichweite, größere Rolle in der Demokratie spielen würden."
Die FPÖ hat sich nämlich gegen alle Vorschläge gewehrt, die Tech-Plattformen stärker zu regulieren. Sie wollte sogar den Verhetzungs-Paragraphen so aufweichen, dass Hassrede ausgenommen gewesen wäre. Aus FPÖ-Sicht nur konsequent, sagt Eberl. Desinformation sei ein Werkzeug von Rechtspopulisten, dazu gebe es mehrere Studien: "Da geht es um einen Eigennutzen. Wie rechtspopulistische Akteure auf Plattformen kommunizieren dürfen. Und die wollen da im Endeffekt mehr Spielraum haben."
Desinformation wäre salonfähig geworden
Anna Thalhammer vom "profil" sagt dazu: "Man nimmt Abstand von Faktizität, von Qualität, von allen diesen Dingen, die bisher gegolten haben. Und darüber hinaus entzieht man sich, möchte man sich jeglicher Initiative entziehen, die heißt Wir treten gegen Fake News auf, wir tun was gegen Desinformation oder Beeinflussung aus dem Ausland. Und das ist schon sehr beachtlich." Ein Schlüsselsatz aus dem Verhandlungsprotokoll ist im Netz schon oft zitiert worden: "Kriterien wie Faktizität, Quellenherkunft und journalistische Sorgfalt sind entscheidend für den Erhalt von Medienförderungen. (Dissens FPÖ)"
Für Beobachter ist dies ein klares Zeichen für die blauen Pläne im Bereich der Medienförderung: Umleitung von staatlichen Geldern zu Propaganda-Plattformen. Auch dass die FPÖ sich dagegen gewehrt hat, Redaktionsstatuten in die Förder-Kriterien aufzunehmen, wird entsprechend interpretiert. Ein freiheitlicher Medienminister könnte dann schalten und walten, in den Verhandlungen hielt man sich bedeckt. Noch einmal Christian Hafenecker von Mitte Jänner: "Wir machen derzeit kein Mikromanagement bei den Verhandlungen und verhandeln über einzelne Positionen und wie viel jemand Medienförderung bekommt." Aber der FPÖ-Mediensprecher hat nie verschwiegen, dass rechte Online-Kanäle wie AUF1 auch von Medienförderung profitieren müssten.
Verdachtsberichterstattung wäre schwer geworden
Während die Untergruppe Medien sich in den strittigen Fragen nicht einigen konnte und das an die Parteichefs delegierte, war sich die blau-schwarze Justiz-Untergruppe in einem brisanten Punkt bereits einig. Die von der ÖVP in den vergangenen Jahren immer wieder aufs Tapet gebrachten Hürden für die Verdachts-Berichterstattung sollten kommen. Zitat aus dem Verhandlungsprotokoll: "Stärkung der Beschuldigtenrechte und der unbeeinflussten Rechtsprechung durch konsequente und verhältnismäßige Regelung der Verdachtsberichterstattung und Beschränkung der Möglichkeit des direkten Zitats aus Ermittlungsakten."
Das Zitierverbot sollte also kommen, und bei Verstößen hätte Journalisten das Strafrecht gedroht - das blau-schwarze Trauma infolge der Ibiza-Affäre sollte wohl aufgearbeitet werden. "profil"-Chefredakteurin Anna Thalhammer hat selbst viel investigativ recherchiert: "Das ist etwas äußerst Ungewöhnliches. Es gibt natürlich die Möglichkeit, sich gegen mediale Berichterstattung zu wehren. Das ist auch ganz wichtig, weil wenn jemand etwas falsch berichtet und einen Fehler macht, dann gehört das korrigiert und auch geahndet. Es ist allerdings normalerweise so, dass man nicht mit dem Strafrecht dagegen vorgeht, sondern mit dem Medienrecht." Dass laut Protokoll-Einigung gleichzeitig die Immunität der Abgeordneten gestärkt werden sollte, das wäre, so befindet Thalhammer, eine doch eher seltsame Balance gewesen.
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Am und mit dem Vorbild Orbán gescheitert
Aus dem Volkskanzler Kickl wird jetzt nichts. Der FPÖ-Chef hat zu sehr zum großen Vorbild im östlichen Nachbarland geschaut und seine Ambitionen zu hoch gehängt. "Machen wir es dem Orbán nach, liebe Freunde. Bauen wir die Festung Österreich", hat Herbert Kickl bei einem seiner Auftritte gesagt. Viktor Orbán musste keine Koalition schmieden, er hat die gesamte Opposition ausgeschaltet, ebenso kritische Medien, Künstler und Intellektuelle. Kickl hingegen muss sich nach dieser unwirklichen Verhandlungsepisode wieder seiner Kernkompetenz - der Opposition - widmen. In den medienpolitischen Abgrund unter ihm, der offenbar möglich wäre, wie die ersten Wochen des Jahres zeigen, hat das Land zum Glück nur geschaut.