Francis Alÿs, Shariya Refugee Camp, Iraq, 2024 Öl auf Leinwand 16,1 x 22 x 1,5 cm

Francis Alÿs Courtesy der Künstler, Peter Kilchmann, Jan Mot & David Zwirner Galerien

Ausstellung

Francis Alÿs: Die Welt als Spiel und Vorstellung

Schneeballschlachten, Seilspringen, Fußball: Im Spiel messen sich Kinder nicht nur mit ihren Altersgenossinnen, sie erkunden die Welt. Seit nunmehr 25 Jahren dokumentiert der aus Antwerpen stammende Künstler Francis Alÿs in unterschiedlichen Regionen des Erdballs Spiele von Kindern. Manche sind uns allen geläufig, die Regeln anderer Spiele geben zunächst Rätsel auf. In der Ausstellung „Kids Take over“ zeigt das Museum Ludwig in Köln dieses work in progress des 65jährigen Künstlers, das auf Einladung des Museums von zwei Schulklassen erweitert wurde.

Ein kleiner Junge bündelt seine Kräfte und rollt – angefeuert von seinen Freunden – einen ausrangierten LKW-Reifen einen Berg hoch, um später darin unter großem Gejohle hinunterzurollen. Was auf dem ersten Blick wie ein harmloses Spiel wirkt, offenbart auf den zweiten Blick Erschütterndes und erzählt von globale Warenströmen und postkolonialen Ausbeutungsverhältnissen.

Wir befinden uns in der Demokratischen Republik Kongo: Der Berg ist eigentlich die Halde einer Kobaltmiene, wo jener Rohstoff abgebaut wird, der in Lithium-Ionen-Batterien verbaut ist. Hier riskieren Lithiumjäger ihr Leben, um den globalen Batteriemarkt zu versorgen. Nicht nur im Kongo wird, das zeigt der aus Belgien stammende Künstler Francis Alys, ein Gräberfeld zum Spielplatz.

Kindliche Weltaneignung rund um den Globus

„Es gibt in der Arbeit tatsächlich eher die, fröhlichen, unbeschwerten Situationen, aber es gibt auch in manchen Filmen Hintergründe, die haben mit Ausbeutung und Armut zu tun.“ Rita Kersting, Kuratorin der Ausstellung „Kids Take over“, hat sich mit Francis Alÿs´ work in progress „Children´s Games“ auseinandergesetzt und zeigt, dass im kindlichen Spiel Lebensrealität und ökonomische Basis einer Gesellschaft gefiltert werden.

Das Spiel ist nicht nur ein Instrument der kindlichen Weltaneignung, es hilft auch dabei, Traumata zu verarbeiten. Womöglich ein Grund, weswegen Kriegsspiele rund um den Globus ein Evergreen sind. „Man sieht das Videos eines Jungen aus Afghanistan, der einen Drachen steigen lässt, ein Video zeigt Kinder aus der Ukraine, die Bombenalarmsirenen imitieren und es gibt Kinder aus der Schweiz, die bei einer Schneeballschlacht in den Bergen gefilmt wurden“, erläutert Rita Kersting.

Bereits 2022 hat Francis Alÿs seine Werkserie „Children´s Games“ im belgischen Pavillon auf der Venedig-Biennale gezeigt, nun präsentiert das Museum Ludwig in Köln 30 Videoarbeiten dieses Werkkomplexes. Die Besonderheit: Schüler und Schülerinnen aus Köln wurden vom kuratorischen Duo Santi Grunewald und Rita Kersting eingeladen, als Erweiterung der Ausstellung ein Kindermuseum zu gestalten. „Wir haben die Klassen über eineinhalb Jahre begleitet. Wir sind in die Schulen gegangen und haben die Kinder ins Museum eingeladen. Es war erstaunlich, dass die Kinder sich für Kunstwerke interessierten, die überaus komplex sind. Sie sind ohne Schau auf Kunstwerke zugegangen, von denen ich nicht erwartet hätte, dass sie für Kinder attraktiv sind“, resümiert Rita Kersting.

Kinder als Kurator:innen

Das Museum der Zukunft soll barrierefrei sein - im doppelten Wortsinn: Kein hermetischer Kunsttempel, der Schwellenangst auslöst, vielmehr ein Ort der Begegnung, in dem jeder und jede willkommen geheißen wird. Doch wie eine Plattitüde, die man aus Sonntagsreden der Kulturpolitik kennt, in der Realität umsetzen? Das Museum Ludwig in Köln, weltberühmt für seine hochkarätige Pop-Art-Sammlung, zeigt dieser Tage, wie es gehen könnte. Gemeinsam mit zwei Schulklassen wurde das Work in progress des Biennale-Teilnehmers Francis Alÿs weitergesponnen. Schüler und Schülerinnen wurden eingeladen, neue Blickachsen auf die Sammlungsbestände des Hauses zu werfen. Das Ergebnis dieser Recherchen ist nun im Rahmen der Ausstellung „Kids take over“ zu sehen.

Gestaltung