
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Ö1 Talentebörse
Anton Tkachuk, Bildende Kunst
In Kooperation mit den österreichischen Kunstuniversitäten präsentiert Ö1 junge Kunst-Talente Österreichs. Anton Tkachuk studiert Computermusik und Klangkunst an der Kunstuniversität Graz.
29. Juli 2025, 07:55
Ich arbeite mit Klang, Materialien, spiele Cello, schreibe Musik mit Code, improvisiere, erschaffe Klangskulpturen. Mein Hobby: existenzielle Untersuchungen. Meistens versuche ich, all das Genannte in einem zu verbinden.
Was wünschen Sie sich, dass Ihre Kunst bei anderen auslöst?
Ich glaube, es gibt keinen erfüllenderen Effekt von Kunst als das Erwachen. Dieser Moment, in dem man spürt, dass sich gerade etwas verändert hat – und dass alles davor wie ein Traum war.
Geboren: 1997 in Zhytomyr, Ukraine
Aktuelles Studium: Computermusik und Klangkunst, bei Prof. Gerhard Eckel, Prof. Winfried Ritsch, Prof. Anke Eckardt, an der Kunstuniversität Graz
Künstlername: Antuum
Mein größter Erfolg: Das Bewusstsein, dass es keinen Weg zurück gibt. Ich betrachte das als meinen größten Erfolg,
denn genau darauf haben sich alle weiteren Erfolge (und Misserfolge) aufgebaut.
Was ist Kunst und was nicht?
Mir gefällt die Definition von Anne Imhof: Die beste Kunst ist die, die nicht wie Kunst aussieht. Ich sehe das genauso, denn solche Kunst verschiebt unsere Perspektive – etwas, das ich als Glitch bezeichne. Der Glitch spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Menschheit: Gerade dadurch nehmen wir zuvor Unsichtbares wahr und finden Antworten auf Fragen, die zuvor unlösbar schienen. Deshalb würde ich sagen: Das, was unsere Aufmerksamkeit fesselt und eine Veränderung der Wahrnehmung bewirkt, kommt der Kunst näher. Und das, was lediglich das bereits Bekannte reproduziert, bewegt sich eher im Rahmen kultureller Repräsentation.
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Dort, wo ich aufgewachsen bin, waren die Bedingungen alles andere als einladend – verlassene Industriegebiete im postsowjetischen Raum. Eine Kindheit in dieser Umgebung hat mich fast zwangsläufig dazu gebracht, nach etwas zu suchen, das meine Aufmerksamkeit fesseln konnte – und das waren Kunst und Musik.
Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?
Eigentlich kommt Kunst aus der Unfähigkeit – aus der Unfähigkeit, sie nicht zu machen. Viele können, aber tun es nicht; manche müssen, aber prokrastinieren; andere wollen, aber können nicht. Ich denke, wirklich gute Kunst entsteht bei denen, die gar nicht anders können – die sie trotz allem machen.
Wo würden Sie am liebsten ausstellen/auftreten/inszenieren?
Natürlich hat jeder Ort seinen eigenen Kontext, und das verleiht der Wahrnehmung meist eine zusätzliche Ebene. Aber mir gefällt es, wenn Menschen an Orten ausstellen oder auftreten, die dafür eigentlich nicht gedacht sind – verschiedene industrielle Anlagen, Fabriken, militärische Bauten. Ich liebe brutalistische Architektur. Als ich zum ersten Mal nach Österreich kam, war ich lange Zeit tief beeindruckt vom MUMOK.
Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Oh, das ist einfach – natürlich nur mit Menschen, die für das brennen, was sie tun. Einmal habe ich meine Klavierlehrerin gefragt, wie viel Zeit man am Klavier üben muss, um wirklich gut zu werden, und sie hat geantwortet: „Alle freie Zeit.“ Das fand ich sehr treffend, denn wie viel „freie Zeit“ man für etwas findet, hängt letztlich davon ab, wie sehr man dafür brennt.
Wie viel Markt verträgt die Kunst?
Kunst kann so viel Markt aushalten, wie in ihr Platz findet – solange der Markt nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als der eigentliche Inhalt der Kunst.
Und wie viel Kunst verträgt der Markt?
Oh, der Markt ist in dieser Hinsicht viel widerstandsfähiger. Aus ökologischer Sicht ist der Kunstmarkt längst überfüllt – es herrscht ein deutliches Überangebot. Aber was das Überleben des Marktes betrifft, kann er noch viel mehr aufnehmen. Je größer jedoch das Angebot, desto geringer die Nachfrage. Vielleicht ist das sogar gut, weil dann nur noch diejenigen in der Kunst bleiben, die sie trotz fehlender Bezahlung weiter betreiben. Andererseits stimmt das so auch nicht: In Wirklichkeit bleiben vor allem diejenigen, deren familiäre finanzielle Situation es ihnen erlaubt, eine unwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, weil ihre Grundbedürfnisse ohnehin gedeckt sind.
Was ist etwas völlig Unvernünftiges, das Sie trotzdem sofort tun würden, wenn Geld keine Rolle spielt?
Ich glaube, ich würde anfangen, bewusst unrentable Projekte zu machen – Paläste und Fabriken aufkaufen und ihre Nutzung in etwas Unproduktives und Soziales verwandeln.
Welche Vision haben Sie für Ihre Arbeit – oder für sich selbst – in zehn Jahren, die Sie (noch) niemandem erzählt haben?
Ich hoffe, dass ich in zehn Jahren gelernt habe, mit weniger Material mehr zu vermitteln – komplexe Botschaften zu gestalten, mit so wenigen Worten wie möglich.
Glauben Sie, dass Ihre Arbeit in Zukunft von künstlicher Intelligenz ersetzt werden könnte – und warum (nicht)?
Ich denke, Kunst ist eine so anpassungsfähige Praxis, dass sie sich unter jedem äußeren Druck in neue Formen transformieren kann. In diesem Sinne wird KI sicherlich beeinflussen, wie Kunst entsteht und aussieht – aber sie wird sie nicht ersetzen. Außerdem glaube ich, dass Menschen sich bald von KI ermüden lassen werden, einfach durch Reizüberflutung. Dadurch könnte das einfache menschliche Handwerk wieder an Wert gewinnen.
Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?
Wahrscheinlich jedes Mal, wenn ich zu direkt war. Besonders in Situationen, in denen indirekte Kommunikation oder soziale Erwartungen wichtiger waren als Klarheit.