Theodor W. Adorno - PICTUREDESK.COM/INTERFOTO/ATV
Im Gespräch | 14 10 2010
Eugen Kogon, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer
"Die Menschen müssen bereit sein zu funktionieren. Nur dann entgehen sie der universalen Drohung der Arbeitslosigkeit". Michael Kerbler im Gespräch: "Die verwaltete Welt". Eugen Kogon, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer.
23. Oktober 2025, 14:38
Das Gespräch, das wir heute senden, ist 1959 in Frankfurt aufgezeichnet worden. Im Studio saßen einander damals drei führende Sozialwissenschafter Deutschlands gegenüber - Eugen Kogon, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. Die drei Gelehrten debattierten einen neuen Begriff, den der Philosoph und Soziologe Adorno in die Diskussion eingebracht hatte: die "verwalteten Welt". Er gebrauchte diesen Begriff als Synonym für die spätkapitalistische, genauer: nachliberale und nachfaschistische Gesellschaft, und betonte dabei das Faktum der Verselbstständigung der Verwaltung, der Bürokratie.
Der Sozialphilosoph Max Horkheimer hatte in den 1940er Jahren im amerikanischen Exil eine Theorie über die Funktionsweise des Faschismus erarbeitet, in deren Mittelpunkt er die verschworene Clique stellte, "welche alle ausschließt, die sich nicht bedingungslos ihrem Willen unterwerfen" und "der strengen Hierarchie von Führer und Gefolgschaft gehorchen".
Adorno konstatierte in den frühen 50er Jahren eine Verselbstständigung der Verwaltung, ein "Primat der Administration", gegenüber Gesellschaft und Ökonomie. Der Mensch, lautet seine These, stehe unter einem permanenten Druck der Anpassung an die "verwaltete Welt"; es bleibe dem Individuum kaum ein Spielraum, um das existenzielle Bedürfnis nach innerer Freiheit, also nach Selbstverwirklichung, umzusetzen.
Kogon, er hatte 1927 in Wien mit einer Arbeit über den "Kooperativstaat des Faschismus" promoviert, sah zentrale Werte wie Moral und Freiheit und damit deren gesellschaftsverändernde Wirkung bedroht. Ein Bild von der Gesellschaft als "Zwangsverband, in den man nun mal hineingeraten ist", in dem "dem Individuum die Liquidation drohe", wird gezeichnet.
Adorno skizziert ein Bild vom Menschen, in dem dieser "wie ein Automat in der Welt verwendet" wird, um widerstandslos in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können. Der Mensch muss nicht nur unsensibel sein wie die Automaten, sondern dazu bereit sein, sein Leben ständig zu ändern, also: flexibel zu sein. Die Menschen müssen, meint Adorno, willens sein, zu funktionieren. "Nur wenn sie diese Bereitschaft ununterbrochen bekunden, entgehen sie der universalen Drohung der Arbeitslosigkeit."
Im Gespräch über die "verwaltete Welt" eröffnen sich spannende Perspektiven auf die Gegenwart.
