APA/HERBERT NEUBAUER
Im Gespräch | 20 08 2009
Gert Voss
"Theater ist nie fertig. Es erfindet sich jeden Abend neu". Michael Kerbler spricht mit Gert Voss, Schauspieler
24. Oktober 2025, 11:38
Gert Voss. Der Mann, der in Shanghai geboren wurde, wurde 1986 Teil des Ensemble des Wiener Burgtheaters. Claus Peymann hatte ihn nach Wien geholt, Peymann, der Voss schon von Stuttgart nach Bochum mitgenommen hatte, weil er von dem schauspielerischen Großtalent Voss überzeugt war.
Als "Richard III." feierte Voss schon im ersten Jahr an der Burg einen triumphalen Erfolg. Und es waren vor allem Shakespeare-Rollen, mit denen Voss dem Publikum Theatersternstunden bescherte: als Angelo, Shylock, Othello oder Marc Anton. Und natürlich als "Lear".
"Das finde ich genial von Shakespeare", sagte Voss damals im Jahr 2007, als "König Lear" Premiere feierte, "dass man verrückt werden muss, um die Welt zu erkennen." Lear und Wallenstein, das waren die beiden großen Rollen der jüngeren Vergangenheit an der Burg. Beide Männer werden im Moment des Untergangs gezeichnet. Während der eine sich den Untergang dadurch bereitet, dass er jenen Menschen verstößt, den er am meisten liebt, scheitert Wallenstein durch sein Nicht-Handeln.
Gert Voss leitete die Ära des neuen Burgtheaterdirektors Matthias Hartmann als Goethes Mephisto ein. Goethe selbst notierte zu der Figur: "Der Conflikt des bösen und guten kann nicht ästhetisch dargestellt werden: denn man muß dem Bösen etwas verleihen und dem Guten etwas nehmen, um sie gegeneinander ins Gleiche zu bringen."
Die Rolle des Mephisto gefiel Gert Voss, "weil er immer widerspricht, sich auflehnt gegen Gott". Es ist wohl die faszinierende Bandbreite der unterschiedlichen Interpretationen der Rolle, die Voss gereizt hatte, kann doch Mephisto entweder als Spezialteufel interpretiert werden, dem es um Fausts Seele geht; oder als teuflischer Freund und "Coach" Fausts, oder aber als "Teil des Teils, der anfangs alles war", also als ein in der Welt - nach wie vor - wirksames Prinzip. Übrigens: Voss hatte im "Faust" schon mehrmals mitgewirkt; er hat den Wagner gespielt, den Kanzler, den Pygmäen und die Lemure.
Im Gespräch mit Michael Kerbler, wenige Tage vor der Premiere, ging es allerdings nicht nur um den Geist, der stets verneint. Sondern um das Theater - "ich spiele am liebsten, wovor ich Angst habe" -, um Voss' Passion für großes Kino - "ich mag Filme, die kein Happy End haben" - und um das Alter. "Ich habe mir immer schon am liebsten alte Menschen angeguckt. Weil bei ihnen vieles von dem weg ist, was Menschen sonst verschließt."
Gert Voss verstarb am 13. Juli 2014 in Wien.
