APA/EVA MANHART
Ö1 Klassik-Treffpunkt
Der Planet Clemens J. Setz
Man kann auch Schriftsteller werden, wenn man sein erstes Buch mit 16 liest - der lebende Beweis dafür ist der gebürtige Grazer Clemens J. Setz, der seit seinem Debüt mit Literaturpreisen geradezu überhäuft wird; dass sogar der Georg-Büchner-Preis dabei ist (der höchstdotierte Preis für deutschsprachige Literatur), ist ihm selbst unheimlich.
27. Oktober 2025, 14:59
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Ö1 Klassik-Treffpunkt - Live von der Buch Wien | 15 11 2025
Messe Wien, Trabrennstraße 7, 1020 Wien
Eigentlich will Setz Programmierer werden, aber von dem Dauerblick in den Bildschirm bekommt er Migräne, und so weicht er auf Bücher aus. Das Gedicht „die morgenfeier“ von Ernst Jandl wird schließlich zu seinem literarischen Erweckungserlebnis. Setz beginnt, Gedichte und Kurzprosa zu schreiben und in Literaturzeitschriften zu veröffentlichen.
Schließlich bricht er sein Lehramtsstudium in Mathematik und Germanistik ab, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Und in diese Schriftstellerei all die ungewöhnlichen Themen einzubringen, die ihn beschäftigen: die Verschwörungsmythen, die er seit seiner Kindheit liebt, seinen Glauben an UFOs, seine Begeisterung für vom Menschen geschaffene Sprachen wie Esperanto, Volapük oder Blissymbolics oder seine Tierliebe, die sich unter anderem in dem Versuch manifestiert, Raben zu dressieren.
„ein fast beängstigend kluges Buch“
Schon sein Debütroman beschert Setz auf einen Schlag eine Art Wunderkindstatus, das versammelte Feuilleton kann kaum glauben, dass es sich hier um den Erstling eines Mittzwanzigers handelt, die FAZ nennt „Söhne und Planeten“ sogar „ein fast beängstigend kluges Buch“. Im Roman, „Indigo“, ist dann schon alles entfaltet, was einen „echten Setz“ ausmacht: das Dokumentarische, verbunden mit dem Erfinden von Wirklichkeiten; Unmöglichkeit von Beziehungen und Fremdheit in der Welt, die direkt in die strukturelle Einsamkeit führen; außerdem Science-Fiction-Elemente, Horror, Groteske, Surreales… und das alles bei höchster sprachkünstlerischer Präzision und formaler Originalität. Es folgt „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“, ein virtuos-philosophischer Psychothriller mit über 1.000 Seiten.
Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays und mehr
„Die Bienen und das Unsichtbare“ ist ein Hybrid aus Fachbuch über Plansprachen und den Lebensgeschichten ihrer Protagonist:innen, wobei es keine Rolle spielt, was historisch verbürgt und was fiktiv ist. Sehr genau an der Wahrheit ist dann „Monde vor der Landung“ über Peter Bender, einen Vertreter der Hohlwelt-Theorie, der von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Das ist nur ein Schnelldurchlauf durch das Romanschaffen des Clemens J. Setz, dazu kommen auch noch Erzählungen, Gedichte (auch auf Twitter), Theatertexte, Essays, Nacherzählungen, Übersetzungen, Kinderbücher und ein Podcast.
„Selberlebensbeschreibung"
Setz’ ureigene literarische Welt nährt sich immer auch aus den Besonderheiten seiner Biografie und Wahrnehmung: Er ist Synästhet und farbenblind, hat mühevoll gelernt, mit einem dauerhaften Tinnitus-Geräusch zu leben und eine Autoimmunerkrankung überwunden. In einer „Selberlebensbeschreibung“ formuliert er das Ergebnis so: „In diesem Sinne kann das bisherige Leben von Clemens J. Setz wohl als ein relativ glückliches bezeichnet werden. Keine Kriege, keine Verhaftungen. Selbst die wenigen Reisen, die er unter Aufbietung all seines Mutes unternahm, brachten ihn immer wieder verlässlich zu seinem Ausgangspunkt zurück und ließen seinen Kern intakt.“
