Menschen vor Riesenbüchern

APA/DPA/HENDRIK SCHMIDT

Kontext

Sachbücher im November

Die monatlich erscheinende Sachbuch-Bestenliste der Medienpartner "Die Literarische Welt", Radiosender WDR 5, "Neue Zürcher Zeitung" sowie Ö1.

Unabhängiges Gremium

Unsere Liste wird von einem unabhängigen Gremium erstellt, dem Fachjournalisten und renommierte Publizisten angehören, darunter Wissenschaftler wie Herfried Münkler und Jochen Hörisch. Das Gremium, das ab Januar noch erweitert werden wird, ermittelt monatlich zehn Bücher auf Basis von Punkten. Jeder Juror, jede Jurorin kann 8, 6, 4 oder 2 Punkte für vier Bücher vergeben.

1. Carolin Amlinger / Oliver Nachtwey

"Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus", Suhrkamp Verlag, 453 Seiten

2. Manfred Pfister

"Englische Renaissance. Shakespeare & Company", Verlag Galiani Berlin, 478 Seiten im Großformat

3. Grit Straßenberger

"Die Denkerin. Hannah Arendt und ihr Jahrhundert", C. H. Beck Verlag, 528 Seiten

4. Norbert Frei

"Konrad Adenauer. Kanzler nach der Katastrophe", C. H. Beck Verlag, 317 Seiten

5. Marcel Fratscher

"Nach uns die Zukunft. Ein neuer Generationenvertrag für Freiheit, Sicherheit und Chancen", Berlin Verlag, 224 Seiten

6. Eva Illouz

"Der 8. Oktober", übersetzt von Michael Adrian, Suhrkamp Verlag, 102 Seiten

ex aequo, Karl Schlögel

"Auf der Sandbank der Zeit. Der Historiker als Chronist der Gegenwart", Carl Hanser Verlag, 176 Seiten

8. Martin Warnke

"Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers", mit einem Vorwort von Horst Bredekamp und Matthias Bormuth und einem Nachwort von Karen Michels, Verlag Klaus Wagenbach, 508 Seiten

9. Steven Pinker

"Wenn alle wissen, dass alle wissen … Gemeinsames Wissen und sein verblüffender Einfluss auf Geld, Macht und das tägliche Leben", übersetzt von Martina Wiese, S. Fischer Verlag, 406 Seiten

10. Laure Murat

"Proust. Familienroman", übersetzt von Jürgen Ritte, Berlin Verlag, 320 Seiten

"Schon der Titel, der auf 'Who is afraid of Viginia Woolf' anspielt, setzt den Ton mit einem Augenzwinkern und markiert gleichzeitig die Erweiterung des Feminismus zum Queeren, Nicht-Heteronormativen. Butler ist dazu berufen wie wenige, hat sie doch das Nachdenken über Gender wie wenige Autoren geprägt und so Grundlagenforschung geleistet.

Judith Butler, die sich sonst mit heiligem Ernst philosophischen Fragen widmet, ist hier fast verspielt, witziger, politischer, und schreckt vor Wortspielen nicht zurück. Insofern ist die Lektüre trotz des Ernsts der Lage, in der vom Vatikan bis Putin und Trump alles darangesetzt wird, die in ihren Augen natürlich ebenso falsche wie brandgefährliche Gender-Ideologie auszurotten, fast heiter. Souverän untersucht Butler das angstbesetzte Phantasma, zu dem das Stichwort 'Gender' außerhalb des akademischen Kontexts geworden ist. Ihr Buch ist eine psychoanalytische Diskursanalyse der vereinigten Feinde von Gender. Dabei wird wie nebenbei klar, dass die Geschlechter-Differenz, und nicht Rasse oder Klasse den Kern des Anstoßes darstellen. Die vereinigten Feinde beweisen dies, wenn sie sich darauf einigen können, in Gender den Teufel, die Atombombe, und also kurz, eine ganz und gar zerstörerische, die patriarchale Ordnung, alle wahre Männlichkeit und Weiblichkeit zersetzende Denkströmung sehen.

Gönnen Sie sich das Vergnügen, einen brillant argumentierenden, witzig geschriebenen Text gegen die autoritären, übermächtigen, aber intellektuell unterlegenen Feinde an der Seite der Unterdrückten und Gefährdeten zu sehen." (Barbara Vinken)