Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2025

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Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker

Mit weiblicher Note

Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniert unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin u. a. mit Werken von Florence Price und Josephine Weinlich

31 Komponisten abseits der Strauss-Dynastie waren bisher im Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker vertreten. Im Vorjahr reihte sich mit Constanze Geiger erstmals eine Komponistin in den Reigen ein. Im diesjährigen Programm folgen Constanze Geiger nun gleich zwei Kommilitoninnen nach, die seinerzeit die Genrekonventionen des 19. Jahrhunderts gebrochen und in einer männlich dominierten Kunstwelt ihren Weg als Komponistinnen und Dirigentinnen mit Engagement, Mut und Willenskraft verfolgt haben: die in Wien tätige Josephine Weinlich und die in Chicago wirkende Florence Price.

Josephine Weinlich (1848 bis 1887) darf wohl ohne Untertreibung als Pionierin angesehen werden, wenn es um die Sichtbarkeit professionellen Musikerinnentums geht. Mit 19 Jahren gründet sie ihr eigenes Orchester - ein Damenorchester wohlgemerkt-, das mit seinem Debüt in der Neuen Dreher’schen Bierhalle in Wien für Aufsehen sorgt. Bald schon folgen weitere Auftritte in den großen Wiener Etablissements und Konzertreisen bis nach St. Petersburg und in die USA. Aus dem anfänglich noch kleiner besetzten Wiener Damen-Orchester wird in zweiter Auflage das Europäische Damenorchester mit Weinlich am Dirigentenpult. Und dieses schafft es 1873 bis in den Großen Wiener Musikvereinssaal.

Yannick Nézet-Séguin

Yannick Nézet-Séguin

HANS VAN DER WOERD

"Eh nett, aber …"

Hier aber warten die feuilletonistischen Skeptiker bereits begierig. Während vormalige internationale Kritiken durchaus wertschätzend über den Klangkörper und seine Dirigentin Weinlich berichten, weichen die heimischen eher auf das Terrain des "eh nett, aber …" aus. Es sei schon ganz ordentlich, das Orchester; mit den männlichen Kollegen könnten die "weiblichen Amazonen" aber keineswegs verglichen werden.

Vorurteile, mit denen sicherlich auch die um eine Generation jüngere Komponistin Florence Price (1887 bis 1953) konfrontiert war. Sie musste sich nicht nur als komponierende Frau, sondern vor allem als komponierende Afroamerikanerin beweisen. Anders aber als Josephine Weinlich, die wohl keine akademische Ausbildung genossen hatte, war Florence Price universitär ausgebildet und leitete später die Musikabteilung einer Universität. Im Gegensatz zu Weinlich, deren Repertoire fast ausschließlich in der Unterhaltungsmusik verwurzelt war, strebte Florence Price die große Symphonik an. Und das mit Erfolg.

Große Symphonik - nicht verlegt

1933 ist sie die erste Afroamerikanerin, deren Musik von einem großen US-amerikanischen Orchester - dem Chicago Symphony Orchestra - aufgeführt wird. Sie wird im Radio und im Fernsehen gespielt, erhält Unterstützung von der First Lady Eleanor Roosevelt. Und dennoch werden ihre Werke nicht verlegt - zu groß ist die Sorge der Musikverlage, die Musik einer schwarzen Frau zu veröffentlichen. Das geschieht erst 2009 - mehr als 50 Jahre nach ihrem Tod -, als unzählige Manuskripte und Partituren von Florence Price in deren ehemaligem Landhaus in Illinois auftauchen.

Seit einigen Jahren ist ihre Musik wieder vermehrt im Konzert zu hören und auf Tonträgern verewigt - unter anderem mit dem Philadelphia Orchestra, dessen Chefdirigent Yannick Nézet-Séguin sich für die Verbreitung von Florence Prices Werken und für die Thematisierung der Ungerechtigkeiten, die so vielen (weiblichen) Musikschaffenden widerfahren sind und nach wie vor widerfahren, einsetzt. Dass er für sein Neujahrskonzertdebüt mit den Wiener Philharmonikern diese beiden Komponistinnen mit auf das Programm setzt, ist ein weiterer wichtiger Schritt der Sichtbarmachung weiblicher Kunst.

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