Gedanken für den Tag

"Ideen zur Verbesserung der Welt" von Kurt Remele

Kurt Remele ist Professor für Ethik und Gesellschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz.

"Die Bedürfnisse der Armen müssen Vorrang haben gegenüber dem Verlangen der Reichen nach Luxus, Arbeiterrechte gegenüber der Profitmaximierung, die Erhaltung der Umwelt gegenüber unkontrolliertem industriellem Wachstum und Produktion, die Grundbedürfnisse befriedigt, gegenüber jener, die militärische Güter erzeugt." Diese klare gesellschaftspolitische Prioritätensetzung stammt von Papst Johannes Paul II.

Der Sozialethiker Kurt Remele hat die katholische Soziallehre als ernst zu nehmende, gesellschaftskritische Unterweisung zur Weltverbesserung neu entdeckt. Zu denken gibt, dass das Wall Street Journal die Kapitalismuskritik der katholischen Soziallehre immerhin einmal als "aufgewärmten Marxismus" bezeichnet hat. Das ist freilich überzogen, weist aber auf den "utopischen Realismus" dieser Lehre hin, die einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Marxismus verwirklichen möchte. Zu erfahren, wie dieser näher aussieht und welche Folgen sich daraus für das persönliche Leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse ergeben, ist eine durchaus spannende Sache. Kurt Remele erzählt davon in dieser Woche. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Welches Verkehrsmittel würde Jesus benutzen?

Im Herbst 2002 startete Jim Ball, baptistischer Pastor und Direktor einer Umweltinitiative evangelikaler Christen, eine viel beachtete Kampagne. Ball stellte seinen US-amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern folgende Frage: "What would Jesus drive?, also: "Welches Auto würde Jesus fahren?" oder umfassender: "Welches Verkehrsmittel würde Jesus benutzen?" Reverend Ball zeigte sich davon überzeugt, dass Christus keinen spritfressenden Luxusschlitten und keinen überdimensionierten Nobelgeländewagen fahren würde, sondern ein kleines, sauberes, Treibstoff sparendes Auto. Jesus würde häufig zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren und öffentliche Verkehrsmittel benützen, vermutet Ball.
 
Die Aufforderung des Pastors, unseren Konsum zu überdenken und einzuschränken, ist eine zentrale Idee zur Verbesserung der Welt, die von der katholischen Soziallehre geteilt wird. Im Jahre 1991, genau ein Jahrhundert nach der ersten päpstlichen Sozialenzyklika, nahm sich Johannes Paul II. diesbezüglich kein Blatt vor den Mund. In der Enzyklika "Centesimus annus" stellte er fest: "Der Mensch, der mehr von dem Verlangen nach Besitz und Genuss als dem nach Sein und Entfaltung ergriffen ist, konsumiert auf maßlose und undisziplinierte Weise die Ressourcen der Erde." Dadurch ruft der Mensch "die Auflehnung der Natur hervor, die von ihm mehr tyrannisiert als verwaltet wird." (Nr. 37). Papst Benedikt XVI. wies in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Jänner 2010 darauf hin, dass "die heute gängigen Modelle des Konsums und der Produktion" angesichts von Umweltverschmutzung und Erderwärmung ethisch nicht länger zu verantworten seien.
 
Anfang des Jahres habe ich an einer internationalen Konferenz teilgenommen, bei der die päpstlichen Öko-Ideen bestätigt wurden. Das Bedürfnis nach ewig währendem wirtschaftlichem Wachstum, verkündeten dort Ökonomen und Soziologinnen, wird die Welt nicht verbessern. Im Gegenteil: Es treibt den Ressourcenverbrauch nach oben und führt zu echtem Suchtverhalten.

Service

Wenn Sie diese Sendereihe kostenfrei als Podcast abonnieren möchten, kopieren Sie diesen Link (XML) in Ihren Podcatcher. Für iTunes verwenden Sie bitte diesen Link (iTunes).

Sendereihe