Betrifft: Geschichte

Was ist da "Bürgerlich" - vom Dritten Stand zum Mittelstand. Heute: Die bürgerliche Gesellschaft differenziert sich aus. Mit Ernst Bruckmüller, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien

Österreich fehle es an einem traditionsreichen Großbürgertum; so wird oft begründet, weshalb eine wirtschaftsliberale Partei hier geringe Chancen habe; vielleicht ist Österreichs Beitrag an der Ausformung des "Kleinbürgertums" größer? Wie dem auch sei: der Begriff "Bürger" bzw. "bürgerlich" ist, insbesondere historisch gesehen, sehr weit. Schon zwischen dem Dritten Stand (in den alten Landtagen) und den stolzen und selbstbewussten Bürgern der freien Reichsstädte (oder Angehörigen der niederländischen Gilden des 17. Jahrhunderts) ist ein beträchtlicher Unterschied. Der "Citoyen", die "politisch korrekte" Anrede des freien Staatsbürgers während der Französischen Revolution, signalisiert ein völlig anderes Verständnis von Bürger auf dem Weg in die Massengesellschaft moderner Verfassungsstaaten. Die Industrielle Revolution brachte nicht nur den Großbürger und zahlreiche gewerbliche Kleinbürger hervor, sondern - insbesondere mit der anwachsenden Beamtenschaft - auch den Mittelstand.

Was die politische Mitsprache anging, so war lange Zeit hindurch die Steuerleistung dafür ausschlaggebend. Welche Gefahren von den Ängsten einer sozial wie wirtschaftlich absteigenden bürgerlichen Gesellschaft ausgehen können, hat insbesondere die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts unter Beweis gestellt: Die Rechts-Drift im Kleinbürgertum und seine Hinwendung zum Nationalsozialismus sei in diesem Zusammenhang erwähnt. Und heute, in einer Gesellschaft, in der die traditionellen Klassen zunehmend im Verschwinden begriffen sind, verweist so mancher "Schicky-Micky" mit seinem arroganten Gehabe unbewusst darauf, dass der Inbegriff des Bürgers nur noch als Zerrbild seiner selbst weiterexistiert.

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