Da capo: Im Gespräch

"Wir brauchen keine Werte, sondern klare Spielregeln". Renata Schmidtkunz im Gespräch mit Gáspár Miklós Tamás, ungarischer Autor und Philosph

Am 1. Jänner 2011 übernimmt Ungarn die EU-Präsidentschaft. Ungarn, ein Land, das in den letzten Jahren in erster Linie durch Katastrophen- und Skandalberichte in den Medien wahrgenommen wurde. Dabei war es einst das kommunistische Vorzeigeland und nach der Wende von 1989 ein eifriger Schüler des Westens. Nirgendwo ist so radikal und schnell privatisiert worden wie in Ungarn. Und nirgendwo hat der Kapitalismus sich so schnell über alte, postkommunistische Strukturen gelegt wie in unserem Nachbarland. Der historisch bedeutende Moment in der nationalen Selbstwahrnehmung ist 1989, nicht 1956. Nach mehr als 20 Jahren steht Ungarn heute auf wackeligen Beinen: die Wirtschaft liegt am Boden, Armut erfasst weite Teile des Landes, die nationalkonservative Partei von Ministerpräsident Viktór Orbán liebäugelt mit dem rechten Rand der Gesellschaft und schafft es nicht, die Situation in den Griff zu bekommen.

Der Philosoph Gáspár Miklós Tamás ist seit vielen Jahren ein politischer Akteur und ein kritischer Beobachter seines Landes. In den Jahren vor der Wende war er - wie er selbst sagt - ein Konservativer, engagiert im Aufbruch der späten 1980er Jahre. Nach 20 Jahren, in denen er zusah, wie sich die einstigen Hoffnungen auf Demokratie und Wohlstand nicht erfüllt haben, sei er zum radikalen Kommunisten geworden. "Wir sind ein grimmiges Land", sagt er.

Renata Schmidtkunz spricht mit ihm über Zukunftsperspektiven für Ungarn und seine Rolle in Europa.

Service

Paul Lendvai, "Mein verspieltes Land. Ungarn im Umbruch", Ecowin, Salzburg 2010 (ISBN 978-3-902404-94-7)

Peter Nádas, "Buch der Erinnerung", Rowohlt, Berlin 1991 (ISBN 3-87134-023-5)

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