Gedanken für den Tag

von David G. L. Weiss. "Prophet, Mensch, Gottessohn?" Assoziationen zu Jesus von Nazareth

David G. L. Weiss ist Schriftsteller.

Jesus von Nazareth ist zum Stein des Anstoßes geworden. Für nunmehr fast zwei Jahrtausende Weltgeschichte. Er war Eckpfeiler und Schlussstein für das Gebäude Europas. Und darüber hinaus ist er auch, der Jude aus Galiläa, ein großer Prophet des Islam. Seine Mutter ist die einzige Frau, die namentlich im Koran genannt wird.

Immer mehr Menschen haben nach der Zeitenwende das Gefühl, dass dieses Bauwerk in seinen Grundfesten ins Wanken geraten ist. Unerhörte Skandale über die institutionalisierten Nachfolger Christi erschüttern die Medien. Aber wer war dieser Mann, der die Welt zu bewegen vermocht hatte? Hat er Menschen dieser Tage noch etwas zu sagen mit seiner Lehre von Nächstenliebe und Vertrauen?

Die Texte von David G. L. Weiss sind das Resultat einer jahrelangen Beschäftigung mit diesen Fragen, eine oft verzweifelte Suche nach Antworten. Sie spiegeln die lebenslange, persönliche Begegnung des Autors mit Jesus und mit seiner bis heute kontroversen Lehre wider. Angesichts der sich vertiefenden Gräben zwischen verschiedenen Glaubensbekenntnissen, angesichts des Imageverlusts organisierter Glaubensgemeinschaften, von Heuschreckenkapitalisten und fanatischem Terrors ist diese Lehre seiner Meinung nach aktueller denn je.

Der Auferstandene

Ich kann mich noch recht gut erinnern daran, wie ich als Kind - ich glaube ich war noch nicht einmal in der Schule  - mit meinen Eltern am Sonntag in eine Wiener Kirche ging und dort fasziniert, erschaudernd von meinem Sitzplatz auf ein Mosaik gestarrt habe. Jesus am Kreuz, tot, Blut und Wasser schossen aus seiner Seite, und der Jünger Johannes darunter hielt ein Schriftband. Darauf stand: So sehr hat Gott die Welt geliebt. Wie bitte? Wie passte das Bild mit den Worten zusammen? Und um ehrlich zu sein, ganz verstanden habe ich es bis heute nicht. Und in vielen, oft düsteren Kirchen, zwischen den Bildern gemarterter Märtyrer und dem Geschundenen am Kreuz, habe ich das Gefühl, hier wird nicht das Leben, sondern der Tod verehrt. Im sechsten Kapitel des Römerbriefes schreibt Paulus: Wir alle, die "in Jesus Christus hinein" getauft wurden, sind damit in seinen Tod hineingetauft, ja hineingetaucht worden. Ein paar Verse weiter heißt es ergänzend: Und wie Christus durch die Lebensmacht Gottes, des Vaters, vom Tod auferweckt wurde, so ist uns ein neues Leben geschenkt worden, in dem wir nun auch leben sollen. Leben! Wo ist der lachende, der lebensbejahende Jesus geblieben, der mit den Zöllnern gegessen hat, den die Pharisäer einen Säufer und Zecher genannt haben? Wo ist der hilfsbereite und liebenswerte Mensch, zu dem die Kinder und die kommen können, die mühselig und beladen sind? Dieser Jesus ist, so glaube ich als Christ, zu Ostern auferstanden von den Toten, hat das Kreuz überwunden. Wie die Natur im Frühling wieder zum Leben erwacht, frisches Grün an den dürren Zweigen wächst, so will er meiner Meinung nach mich erneuern, nicht als Hingerichteter, sondern als Freund, als lebendiges Vorbild. Und mehr als mit den Bildern vom geschundenen Leichnam am Kreuz kann ich heute mit anderen Jesus-Darstellungen anfangen: Etwa mit der Christus-Statue über Rio de Janeiro - Jesus, der mich in den Arm nehmen will.

Service

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Sendereihe

Playlist

Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

Titel: GFT 110430 Gedanken für den Tag / David Weiss
Länge: 02:42 min

Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

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