Gedanken für den Tag

von Anita Pollak. "In den Hütten sollt Ihr wohnen" - Gedanken rund um die jüdische Holiday-Season

Wann und wie ein Jahr beginnt, ist eine Frage des Standortes und nicht zuletzt der Religion. Das jüdische Neujahr beginnt mitten im Herbst und läutet eine Zeit der Einkehr, der Umkehr, der Besinnung und der Buße ein, die im Versöhnungstag ihren Höhepunkt erreicht. Das darauf folgende einwöchige Laubhüttenfest dagegen ist ein fröhliches Familienfest.

Die Herbstfeiertage bilden das Zentrum des religiösen jüdischen Lebens. Was können sie heute bedeuten, wie werden sie in einer nicht-jüdischen Umgebung begangen und welche spirituelle Kraft geht von ihnen aus? Fragen und Gedanken der Kulturpublizistin Anita Pollak.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Worüber freut man sich eigentlich an Feiertagen, was macht die Festtagsfreude aus?

Freizeit, Essen, Familie, vielleicht sogar Geschenke. Aber da muss doch noch was sein. Da ist noch etwas. Zumindest religiöse Feiertage haben immer einen spirituellen Gehalt, auch wenn viele Menschen oft gar nicht mehr wissen, welchen. Bei den jüdischen Herbstfeiertagen, die kommende Woche zu Ende gehen, tritt dieser spirituelle Hintergrund immer wieder in den Vordergrund. Warum sollte man sonst, wie eben dieser Tage, in zugigen Laubhütten sitzen, wenn man sich deren Symbolgehalt nicht bewusst macht?

Unübersehbar und unüberhörbar wird die geistige Kraft eines Feiertags aber kommende Woche zu "Simchat Thora", dem Fest über die Freude an der Lehre. Die Fünf Bücher Moses, die Thora, sind in 54 Wochenabschnitte geteilt und jede Woche wird einer davon in der Synagoge gelesen. Nach einem Jahr ist man beim Tod von Moses angelangt und sozusagen durch. Aber mit der Weisheit, der Lehre, ist man nie fertig. Und so wird die schwere, auf Pergament geschriebene Thora vom Ende her neu aufgerollt und man beginnt sofort wieder mit dem Satz "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde".

Das ist Anlass für ein Fest und was für eines! Alle Thorarollen werden aus dem Schrein geholt und man tanzt und singt mit ihnen fast bis zur Ekstase. In Israel verlässt man die Synagogen und feiert auf den Straßen weiter. In New York werden für die Umzüge sogar Straßen gesperrt und in den letzten Jahren ist diese Tradition unter freiem Himmel zu feiern, auch in London und Paris wieder belebt worden. Für die staunenden Beobachter der Umzüge ist dies eine schöne Gelegenheit, ein bisschen was von der lebendigen, fröhlichen Seite des Judentums kennen zu lernen. Und von seiner geistigen Kraft, die mit dieser Freude am Wort Gottes und an seinem Gesetz offensichtlich wird.

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 111015 Gedanken für den Tag / Anita Pollak
Länge: 03:49 min

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