Gedanken für den Tag

von Michael Chalupka. "Die Welt ist nicht die Welt nur eines Menschen". Ein Jahr nach Fukushima. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Vor einem Jahr, kurz nach dem Atomunfall in Fukushima, hat Michael Chalupka, der Direktor der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie, Japan besucht. In den "Gedanken für den Tag" erzählt er von seinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen, vom Verlust der Unbeschwertheit, von kleinen Zeichen dafür, dass das Leben weitergeht, von Partnerschaften über Länder und Kontinente hinweg, die sich gerade in Krisenzeiten als tragfähig erweisen und von der Einsicht, die ein japanisches Sprichwort beschreibt: "Die Welt ist nicht die Welt nur eines Menschen".

Kirschblüten

Die Flutwelle, die nach dem Beben am 11. März des Vorjahres die Küsten vor Sendai und Fukushima erreichte, war bis zu 16 Meter hoch. Häuser, Schiffe, Lastwägen und Züge wurden zum Spielball der Wassermassen. 20.000 Menschen kamen in den Fluten um, die Küste war unbewohnbar geworden.
Monate nach dem Tsunami gleicht die Küstenzone einer geordneten Mondlandschaft. Eine Landschaft ist ohne Leben. Kein Baum, kein Strauch, keine streunenden Hunde. Mitten drinnen kann man einen Jogger seine Kreise ziehen sehen. Doch Jun Nguyen-Hatsishiba ist kein Sportler, kein Läufer. Er malt mit seinem Körper, indem er läuft.

Jun Nguyen-Hatsishiba ist einer der renommiertesten jungen Künstler Asiens. Mit seinem Projekt "Breathing is free" will er die globalen Flüchtlingsströme bewusster machen, indem er an symbolischen Orten der Welt tausende Kilometer läuft. Jede seiner Bewegungen wird von einem GPS-Sender registriert und graphisch dokumentiert.

Mit diesem Projekt war Jun Nguyen-Hatsishiba zur Triennale von Yokohama eingeladen. "Was kann ein Künstler tun, um auf die Zerstörungen und das Leid der Menschen zu reagieren?", hatte er sich gefragt. Er begann zu laufen und laufend zu zeichnen. Er und 173 weitere Läufer schrieben mit ihrem physischen Einsatz dem Erdboden Kirschblüten ein. Die Bahnen der Läufer wurden über GPS registriert und anschließen visualisiert. Lauf um Lauf, Runde um Runde entstanden Kirschblüte um Kirschblüte, die sich mit den Flüssen Yokohamas zu Kirschbaumzweigen fügten. Gemeinsam schufen die Läufer das Bild eines Sakurabaums. Das jährliche Fest der Kirschblüte ist das große Fest der Hoffnung und des hereinbrechenden Frühlings, und der Sakurabaum, der Kirschbaum, ist Symbol für Lebenskraft und Geist. Im Projekt des Künstlers Jun Nguyen-Hatsishiba wird er zum Symbol des Gedenkens der vielen tausenden Opfer, deren Seelen nicht verloren sind.

Service

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 120314 Gedanken für den Tag / Michael Chalupka
Länge: 03:49 min

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