Gedanken für den Tag

von Alexia Weiss. " Wenn Familie Grünwald das Fest von der Freiheit feiert - Gedanken rund um das jüdische Pessachfest". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Familie Grünwald erlebt das jüdische Pessachfest auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Die Schriftstellerin Alexia Weiss erzählt an fünf Tagen von den Gedanken, den Gefühlen, den Eindrücken zum Pessachfest aus der Sicht von fünf Familienmitgliedern.

Svetlana

Svetlana kam gerne zu den Grünwalds. Die Wohnung war zwar groß und verwinkelt und die Bügelwäscheberge schienen nie kleiner zu werden, aber Frau Grünwald war immer so herzlich und die Kinder die reinste Freude. Hannah tanzte ihr den Prinzessinnentanz vor, wenn sie kam, oder den Spiegeltanz oder welchen Tanz sie sich eben wieder ausgedacht hatte. Elias zeigte ihr seine Plastikdinosaurier und sogar David, der ja wirklich schon groß war, begrüßte sie freudig.

Aber diese Wochen vor Pessach im Frühjahr, die mochte sie nicht besonders. Die Wohnung wurde doch ohnehin das ganze Jahr über sauber gehalten, aber dann hieß es: alles heraus aus den Küchenkästen, jede Plastikschüssel abwaschen, obwohl sie doch eigentlich sauber war, jeden Löffel, jedes Glas. Lebensmittel entsorgen, die doch eigentlich noch gut waren, weil zu Pessach gab es nur diese koscher-le-Pessach-Sachen, diese für Pessach besonders koscheren Speisen, obwohl die Familie das ganze sonstige Jahr über doch gar nicht koscher hielt.

Sie hatte Frau Grünwald einmal gebeten, ihr das zu erklären, aber die hatte nur abgewunken und gesagt "das ist kompliziert". Und dann noch: "Sie wissen ja, die Männer. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt haben..." Wirklich schlau wurde sie nicht daraus.

Nun saß sie nun schon zwei Stunden in der Küche und wartete, dass irgendjemand hereinkam und ihr sagte, dass sie die erste Vorspeise servieren sollte. Aber es kam niemand. Und aus dem Esszimmer hörte sie, dass immer noch vorgelesen wurde aus der Haggadha, der Geschichte des Auszugs der Juden aus Ägypten. Wie immer an den zwei Sederabenden am Anfang der Pessach-Woche. Eben war Hannah an der Reihe. Was für eine helle Mädchenstimme.  Jetzt rief Elias irgendetwas dazwischen. Svetlana hatte Mühe, wach zu bleiben. Und was am schlimmsten war: sie wusste, morgen Abend sitzt sie wieder hier. Beim zweiten Seder. Nachdem sie untertags die Küche, die ganze Wohnung wieder auf Vordermann gebracht haben würde. Endlich näherte sich Frau Grünwald. "Svetlana, wir können beginnen."

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Titel: GFT 120414 Gedanken für den Tag / Alexia Weiss
Länge: 03:49 min

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