Gedanken für den Tag

Von Ingo Pertramer. "Mehr als äußerer Schein". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Er hasse nichts mehr "als Menschen, die Fotos interpretieren", hat der österreichische Fotograf Ingo Pertramer einmal in einem Interview gesagt. Denn ein Bild müsse für sich sprechen.

Pertramer gilt als einer der bedeutendsten in Österreich aktiven Porträtfotografen und wird von internationalen Bands heute ebenso gebucht wie von Schauspielern und Kabarettisten. Seine Bilder sprechen eine eigene Sprache, sind unverwechselbar und zeigen von den Porträtierten viel mehr als nur den äußeren Schein.

In den "Gedanken für den Tag" spricht Ingo Pertramer über seinen Blick auf die Menschen, die er fotografiert, über Ehrlichkeit und Vertrauen in der Beziehung zwischen Fotograf und Porträtierten.

Licht

Ich fotografiere immer, wenn es möglich ist, ohne künstliches Licht. Eigentlich kam diese Haltung aus einer Not. Am Anfang, nach meiner Ausbildung zum Fotografen, hatte ich kein Geld für eine vernünftige Blitzanlage. Und dann entdeckte ich: Ohne Blitz stellt sich die Wirklichkeit ein. Als ich immer mehr Aufträge bekam, habe ich mir dann doch eine Blitzanlage zugelegt. Nach den ersten Versuchen damit war ich sehr unzufrieden - mein Stil ging durch das künstliche Licht verloren. Seitdem verstaubt der Blitz im Kasten.

Mich nervt das künstliche, angeblich perfekte Licht auch im Film. Ich hasse zum Beispiel schattenfrei ausgeleuchtete Barszenen, denen der Schlagschatten fehlt. Warum verwendet man nicht das vorhandene Licht mit dem Schlagschatten? Das würde die Realität am besten spiegeln. Das ist eine Art von Film, die mich auch als Fotograf interessiert - und mit der ich in den letzten Monaten auch als eine Art Bildkompositeur bei Projekten mit bewegten Bildern mehr und mehr zu tun habe.

Mit dem künstlichen Licht wird im Grunde die Realität retuschiert - genauso wie mit Photoshop und anderen digitalen Bildbearbeitungsprogrammen. Früher hat man vielleicht mal ein Wimmerl wegretuschiert, damit jemand nicht ganz blöd aussah. Heute sieht man kaum mehr ein Gesicht in den Magazinen, das nicht komplett erlogen ist.

Abseits des natürlichen Lichts bin ich auch sonst für das Ungekünstelte. Wenn man so will: für die Wahrheit des Moments. Ein Porträt kann bei mir sehr improvisiert zustande kommen. Ich gebe den Leuten nicht vor, wie sie posieren sollen, das richten sie sich selbst ein. Die Art der gewählten Pose erzählt aber natürlich viel über die Porträtierten. Prinzipiell wollen ja alle, von den Politikern bis zu den Musikern natürlich, unverkrampft und locker rüberkommen. Und vor allem perfekt aussehen: was auch immer das genau heißt.

Service

Ingo Pertramer

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 120606 Gedanken für den Tag / Ingo Pertramer
Länge: 03:46 min

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